Robert-Jan Smits ist der Vordenker des Plan S, dessen Umsetzung in einer kritischen Phase ist.

Artur Eranosian/Europäische Kommission

Der Wissenschaftsteil des neuen Regierungsübereinkommens zwischen der ÖVP und den Grünen enthält zwar wenig Konkretes, aber immerhin einige innovative Absichtserklärungen. So steht an recht prominenter Stelle auch folgende Passage, die freilich eher nur für Insider verständlich ist: "Die Bundesregierung unterstützt aktiv den Plan S zur Implementierung von Open Access. In weiterer Folge sollen die Prinzipien des Plan S auch von allen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Österreich umgesetzt werden."

Um was geht es beim Plan S? Und was würde eine Umsetzung an allen österreichischen Forschungseinrichtungen bringen? Beim Plan S handelt es sich um eine Strategie, die maßgeblich von Robert-Jan Smits konzipiert wurde, der von 2010 bis 2018 die Generaldirektion Forschung und Innovation der Europäischen Kommission leitete. Das S steht dabei wahlweise für Science, Speed, Solution, Shock, aber natürlich auch für Smits, der das österreichische Regierungsbekenntnis zu Open Access naturgemäß sehr begrüßt und für "eine wunderbare Neuigkeit" hält.

Kräftige Gewinne auf Steurzahlerkosten

Während seiner Amtszeit als oberster europäischer Forschungspolitiker und unmittelbar danach suchte Smits nach neuen Ansätzen, um den freien Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Verpflichtung zu machen. Seine Motivation dafür lag auf der Hand: Auch wenn die meisten Forschungsergebnisse mit öffentlichem Geld gefördert werden, ist die überwiegende Mehrheit der Fachartikel der großen Wissenschaftsverlage hinter Paywalls versteckt. Und die Verlagsmultis machen damit und mit Zeitschriftenabos mächtig Geld: Branchenführer Elsevier kam 2018 auf einen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro, was einem Gewinn von 38 Prozent entspricht.

2018 kam es auf Betreiben von Smits aber auch zu einem Zusammenschluss von insgesamt 18 nationalen und internationalen Forschungsförderorganisationen (darunter auch der österreichische Wissenschaftsfonds FWF), die ab 2021 von Verlagen eine frei zugängliche Publikation aller geförderten Forschungen verlangen. Doch wird das reichen, nun endlich in den 2020ern das wissenschaftliche Publikationssystem weniger teuer und die Publikationen zugänglicher zu machen?

Der Druck der Forschungsförderer

Smits, dem trotz seiner neuen Tätigkeit als Leiter der TU Eindhoven die Zugänglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterhin eine Herzensangelegenheit ist, zeigt sich im Gespräch mit dem STANDARD zuversichtlich: "Es ist abzusehen, dass der Anteil der Open-Access-Publikationen von jetzt 25 demnächst auf zumindest 30 Prozent wachsen wird. Damit könnte der Kipppunkt erreicht sein." Und die Chancen dafür stünden gut, so Smits, der im Dezember an der TU Graz einen Vortrag zu diesem Themenkreis hielt.

Neben neuen Förderpolitiken des FWF und anderen Organisationen, die sich zur "Coalition S" zusammengeschlossen haben, seien dafür auch die neuen Verträge mit Verlagsriesen verantwortlich, die in den vergangenen Monaten geschlossen wurden. Niederländische Universitäten haben gerade mit Elsevier einen Vertrag mit hohem Open-Access-Anteil beschlossen, so Smits, was zeige, dass sich selbst der Branchenprimus bewege. Der Vertrag, den 700 deutsche Forschungseinrichtungen mit Springer Nature unterzeichneten und der mit 1. Jänner 2020 in Kraft trat, ist überhaupt der bisher größte weltweite Open-Access-Transformationsvertrag.

Er sieht eine schrittweise Umstellung auf freien Zugang bzw. Open-Access-Publikationen vor. Die hat freilich auch ihren Preis: Pro frei zugänglich publizierten Artikel fällt eine "Publish and Read (PAR)"-Gebühr von 2750 Euro an, was sehr viel Geld sei, wie Kritiker beklagen. Zudem würden solche Verträge – ein ähnlicher wurde mit Springer Nature 2019 auch in Österreich geschlossen – die oligopolartigen Strukturen der wissenschaftlichen Verlagslandschaft weiter stärken.

Vor allem aber hofft Smits darauf, dass in Horizon Europe, dem ab 2021 in Kraft tretenden wissenschaftlichen Forschungsrahmenprogramm der EU, sein Plan S und die entsprechenden Förderrichtlinien inkludiert würden: "Das würde die Hebelwirkung verstärken und zu einer enormen Beschleunigung der Umstellung auf Open Access führen."

Daten als das "neue Gold"

Um die Verlagsgiganten macht sich Smits dabei die wenigsten Sorgen. Einerseits scheinen die Multis mit den neuen Verträgen immer noch gut im Geschäft zu sein. "Vor allem sind sie längst dabei, neue Märkte zu erobern", so Smits und verweist darauf, dass wohl auch für Elsevier und Co das Geschäft mit wissenschaftlichen Daten das "neue Gold" ist.

Deshalb sei es gerade auch für die EU wichtig, dem etwas – etwa in Gestalt einer "Open Science Cloud" entgegenzusetzen: "Klar ist, dass die sichere Aufbewahrung zumal von Forschungsdaten eine der zentralen Infrastrukturen der Zukunft sein wird."

Smits, der mit seiner Uni in den letzten Wochen auch wegen des neunjährigen Studenten Laurent Simons in die Schlagzeilen geriet (DER STANDARD berichtete) sieht die Umbrüche im wissenschaftlichen Publikationswesen nur als Teil der Notwendigkeit, die Rolle der Universitäten, aber auch die Rekrutierung junger Wissenschafter neu zu denken. In der Wissenschaft Karriere zu machen hänge seiner Meinung nach zu stark an fragwürdigen Indikatoren und Metriken wie der Zahl der Publikationen in Zeitschriften mit einem hohen Impact-Factor.

Öffentliches Engagement

"Es braucht meines Erachtens neue Bewertungsmechanismen, zusätzlich zu den bisherigen", sagt Smits, der an der TU Eindhoven bereits radikale Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils implementierte: "Wir sollten beispielsweise bei den Publikationen nur die besten fünf in Betracht ziehen, dafür aber etwa auch das öffentliche Engagement von Forschern höher bewerten sowie andere Aktivitäten, die dazu beitragen, die Rolle der Universitäten in der Gesellschaft zu stärken."

Auch solche Absichten und selbst neue Karriere- und Fördermodelle für den wissenschaftlichen Nachwuchs finden sich im österreichischen Regierungsübereinkommen. Ähnlich wie der Absichtserklärung zu Open Access fehlt ihnen allerdings noch eine Konkretisierung. Von der Umsetzung einmal ganz zu schweigen. (tasch, 15.1.2020)