Aktivisten von Greenpeace "enterten" beim EU-Gipfel im Dezember das Ratsgebäude in Brüssel.

Foto: APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Straßburg – Bis zum Jahr 2050 soll die Europäische Union "klimaneutral" sein, sprich: Dann dürfen in den EU-Staaten nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre abgegeben werden, als durch Maßnahmen in Wirtschaft und Gesellschaft eingespart, ausgeglichen, gespeichert werden.

Das wird teuer. Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen braucht man bis 2030 mindestens eine Billion Euro – 1000 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das jährliche EU-Budget liegt bei knapp 170 Milliarden.

Finanzierungsfrage

Umso gespannter war man am Dienstag im EU-Parlament in Straßburg, wie die Kommission die Finanzierung ihres Green Deals erledigen will. Vizepräsident Frans Timmermans (Klima) präsentierte mit dem Kollegen Valdis Dombrovskis (Wirtschaft/Finanzen) die ersten konkreten Zahlen. Das Ziel der Klimaneutralität haben die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel festgelegt – zumindest auf dem Papier.

Polen hat sich als einziges Land (noch) quergelegt. Weil der Anteil von schmutzigen Kohlekraftwerken dort besonders hoch ist, sieht sich die polnische Regierung außerstande, mitzuhalten – es sei denn, die EU greife ihr aus einem "Übergangsfonds" finanziell kräftig unter die Arme. Warschau will auch noch EU-Förderungen zum Ausbau der Nuklearenergie, was wiederum Österreich heftigst ablehnte, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz in Brüssel betonte.

Keine AKW-Förderung

Eine Förderung von Atomkraftwerken aus dem EU-Budget wird es nicht geben, bestätigte in Straßburg EU-Budgetkommissar Johannes Hahn. Laut Timmermans wird man als Ausgangssockel für das 1000-Milliarden-Projekt einen Übergangsfonds (Just) einrichten. Der soll mit 100 Milliarden Euro dotiert werden, für jene zur Verfügung stehen, die bei der Umstellung besonders leiden: Kohlearbeiter etwa: "Niemand soll alleingelassen werden."

Die Rechnungen von Timmermans und Dombrovskis schienen zeitweise wie ein Hütchenspiel. Denn 503 Milliarden Euro sollen aus EU-Töpfen kommen, die bisher der Kohäsions-, Regional- oder Agrarförderung galten, in Zukunft für "Klimaschutzmaßnahmen". Kriterien dafür müssen erst definiert werden. 114 Milliarden kalkuliert die Kommission für "nationale Kofinanzierung" für Klimaprojekte durch Mitgliedsstaaten. 279 Milliarden Euro kommen aus dem "Juncker-Fonds" (Invest EU), der seit 2014 Investitionen und Beschäftigung mit Krediten förderte, die die EU-Investitionsbank (EIB) über die Finanzmärkte aufbringt. Bleiben die 100 Milliarden von Timmermans’ neuem "Fonds für den gerechten Wandel".

Der wird aus dem EU-Haushalt mit 7,5 Milliarden Euro frischem Geld gespeist. Mit Beiträgen der EU-Staaten sowie Hilfen des Invest-EU-Fonds soll der "Just" auf rund 100 Milliarden "gehebelt" werden. Mit Einnahmen von 25 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten käme man auf mehr als eine Billion.

Was wird aus dem Übergangsfonds neben dem Kohleausstieg noch gefördert? Hahn: "Thermische Sanierung von Wohnungen und Häusern, erneuerbare Energie, die Ansiedlung neuer Unternehmen in 108 besonders betroffenen Regionen. (Thomas Mayer aus Straßburg, 14.11.2020)