Man könnte meinen, Skitourengeher wären eine geschlossene Glaubensgemeinschaft. Schließlich wollen im Prinzip alle das Gleiche: raufgehen und runterfahren. Bei näherer Betrachtung zerfällt die scheinbar so homogene Gruppe jedoch in gegensätzliche Konfessionen: Da gibt es Sprinter in Rennanzügen, die Skipisten raufhetzen. Und Traditionalisten, die nie ein Steigfell auf planierten Schnee setzen würden. Die einen hüten ihre Geheimtipps, die anderen posten alles auf Instagram.
Es gibt Direttissima-Spuranleger wie Dauer-Hangquerer, Energiegel-Zutzler wie Speckbrotvertilger, Aufstiegshöhenmeterfresser wie Downhiller, die von Treeruns, Windlips und Cliff-drops schwärmen. In jeder Skitouren-Konfession finden sich welche, die die reine Lehre für sich beanspruchen – und sie in einschlägigen Internetforen mit Vehemenz predigen. Ich und meine Jünger: das auserwählte Volk. Die Heiden, das sind immer die anderen.
Vergnügen mit Anlauf
Apropos Heiden: Auch der Heidentempel im Salzburger Hüttschlag bevorzugt eine Konfession – die Pulverjünger. Schließlich hält sich an diesem Berg der Pulverschnee meist recht lange. Nur: Vor das Vergnügen hat die Natur den Talhatscher namens Reitalmgraben gesetzt. Nichts für Ungeduldige und Flachstückverweigerer also. Ebenso wenig für Kurztouren-Afficionados (vier Stunden Aufstieg), Skihütten-Versumpfer (unterwegs keine Einkehr) und Modetouren-Abhaker. Der Vorteil des Ausleseprozesses: oft unzerpflügte Hänge im oberen Teil. Durch sie wird die Heidentempel-Abfahrt zum Heidenspaß.
Zuvor erspäht man am Gipfel unzählige weitere Skitourenmöglichkeiten rund ums Großarltal: lange und kurze, flache und steile, stille und überlaufene. Vielleicht liegt in dieser Vielfalt ja der Konsens für alle Skitourengeher? Nämlich: Entspannt euch, es ist genug Platz für alle da. Dann wäre es nicht mehr weit zur Skitouren-Ökumene. Und ausgerechnet der Heidentempel hätte uns diese Erkenntnis beschert. (Uwe Grinzinger, 16.1.2020)
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.