Diverse Amtshandlungen im Zuge einer Auflösung einer Sitzblockade bei der Wiener Urania Ende Mai wurden als rechtswidrig erklärt.

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Die Bilanz nach einem Einsatz im Zuge einer Klimademo Ende Mai vergangenen Jahres in Wien wird für die Wiener Polizei nicht gerade besser, je mehr Vorfälle untersucht werden. Aktivisten störten im Bereich der Urania den Verkehr durch eine Sitzblockade. Der Umgang der Beamten mit der Situation geriet zum Teil außer Kontrolle: Bereits das dritte Mal wurde nun durch ein Gericht festgestellt, dass eine dort durchgeführte Amtshandlung zumindest zum Teil rechtswidrig war.

Das jüngste Erkenntnis des Wiener Verwaltungsgerichts bezieht sich auf den Fall eines Demonstranten, der in Bauchlage von mehreren Polizisten fixiert wurde. Der Beschwerdeführer gab an, dass bei der Auflösung der Blockade sein Gelenk überdehnt worden sei, er Schläge in die Nierengegend sowie in den Genitalbereich kassiert habe und ihm mit der Faust in die Kehle gedrückt worden sei.

Das Gericht stellte fest, dass dem Demonstranten neun Schläge in die Nierengegend versetzt wurden. Darin erkannte das Gericht eine Verletzung der Menschenwürde und erniedrigende Behandlung. Für die restlichen Vorwürfe (Faust in Kehle, Schläge im Genitalbereich) sah das Gericht die Beweislage nicht als ausreichend an.

Ein Video des Vorfalls.

Damit ist auch eine Diskussion über die Anzahl ebenjener Schläge geklärt: Die Polizei betonte immer, dass es sich lediglich um zwei bis drei Schläge gehandelt habe. Ex-Innenminister Wolfgang Peschorn stellte im Rahmen einer parlamentarischen Anfragebeantwortung in den Raum, dass ein entsprechendes Video von dem Vorfall manipuliert worden sei.

Tatsachenwidrige Dokumentation

Das Gericht kam außerdem zu dem Schluss, dass die vier involvierten Polizisten die Amtshandlung falsch dokumentiert haben. Es sei ein "anderes Bild der Ereignisse erzeugt" worden. Sie gaben zum Beispiel im Amtsvermerk an, dass der Demonstrant um sich getreten habe. Auf Videos war zu sehen, dass das nicht stimmt. Trotz eines polizeiärztlichen Gutachtens, das Verletzungen erwähnt, behaupteten die Beamten zudem, dass der Demonstrant nicht verletzt worden sei.

Gegen die bei den diversen Amtshandlungen involvierten Beamten werden auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren geführt. Diese betreffen mittlerweile acht Beamte, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien dem STANDARD mitteilt. Überwiegend wird wegen des Verdachts auf Körperverletzung und der möglichen Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit ermittelt. Doch auch die falsche Protokollierung habe man im Blick: "Gegenstand der Ermittlungen könnte in dem Zusammenhang etwa Missbrauch der Amtsgewalt sein", heißt seitens der Staatsanwaltschaft.

Die ersten Abschlussberichte in der Causa langten bereits Anfang November ein. Wann es zu einem Abschluss der Ermittlungen kommen wird, konnte man bei der Staatsanwaltschaft aber noch nicht sagen.

LPD Wien entscheidet noch über Konsequenzen

Die Wiener Landespolizeidirektion (LPD Wien) verweist auf Anfrage des STANDARD darauf, dass die Festnahme an sich rechtmäßig gewesen sei. Man nehme "die Entscheidung (...) zur Kenntnis. Inhaltlich werden die Beanstandungen des Gerichts evaluiert und in weiterer Folge vermehrt in die Ausbildung bzw. in das Einsatztraining miteinfließen."

Was etwaige Konsequenzen für die involvierten Beamten angehe, verweist die LPD Wien noch auf weitere Verfahren, die abgewartet werden: "Erst dann können disziplinäre Maßnahmen geprüft werden."

Derartige Vorwürfe könnten eventuell bald von einer unabhängigen Behörde, die entsprechende Misshandlungsvorwürfe untersuchen soll, geprüft werden. Die Einrichtung einer solchen wird seit langem von Menschenrechtlern gefordert und steht im türkis-grünen Regierungsprogramm. (Vanessa Gaigg, 15.1.2020)