Karl Nehammer (rechts) freut sich über mehr Personal. Rudi Anschober ringt um selbiges für die Pflege.

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Auf den ersten Blick haben sie wenig miteinander zu tun: das Dauerbrennerthema Pflege mit dem Mitte-rechts-Herzensthema Polizei. Da sich ÖVP und Grüne aber hier offenbar rascher einig wurden als bei anderen Themen, waren es am Mittwoch eben Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Sozialminister Rudi Anschober (Grüne), die sich in Vertretung der gesamten neuen Bundesregierung im Anschluss an deren ersten regulären Ministerrat den Medien präsentierten.

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Auf den zweiten Blick gibt es dann doch einen roten Faden, der sich durch Pflegekrise und Polizeiagenda gleichermaßen zieht: den demografischen Wandel. Gibt es mehr alte Menschen, dann steigt der Bedarf an Pflege, zugleich sinkt das Angebot an Erwerbstätigen, die professionelle Pflege anbieten können. Bei der Polizei wiederum reißen Pensionierungswellen Löcher in die Personaldecke – wenngleich eine ältere Gesellschaft laut Statistiken meist auch eine weniger kriminelle Gesellschaft ist.

Spendabler als Kickl

Nehammer präsentiert sich zum Einstand im Innenministerium jedenfalls gleich als Fürsorger des polizeilichen Wohlergehens, er holte für die Exekutive 4.300 neue Planstellen heraus – das sind sogar um 200 Stellen mehr, als unter Türkis-Blau und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vorgesehen waren. 2.300 dieser zusätzlichen Stellen sind den Polizeiinspektionen zugeteilt, die übrigen 2.000 Planstellen der Polizeiausbildung. Nun gilt es, ausreichend qualifizierte Kandidaten und Kandidatinnen zu finden – das hat sich in der Vergangenheit ja als schwierig erwiesen, da viele Bewerber die Tests nicht geschafft hatten. Wann die zusätzlichen Beamten tatsächlich im Dienst stehen sollen? "Bis zum Ende der Legislaturperiode", sagt Nehammer.

Neue Schulen

An Nachwuchs fehlt es auch bei den Pflegekräften. Anschober führt deshalb eine neue Art Pflege-HTL ein, die bereits im kommenden Herbst an fünf Standorten in ganz Österreich starten soll. Schüler sollen hier in drei Jahren zu Pflegeassistenten und in fünf Jahren zu Pflegefachassistenten mit Maturaabschluss ausgebildet werden. Die Ausschreibung für den Schulversuch, der im Fall einer positiven Evaluierung ausgebaut werden könnte, startete bereits am Mittwoch. "120 bis 150 Pflegekräfte" sollen laut Anschober aus diesen Schulstandorten kommen – de facto ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man bedenkt, dass laut Ministeriumsberechnungen in den nächsten zehn Jahre insgesamt 75.000 Pflegekräfte benötigt werden. Der Großteil wird wohl aus dem Ausland kommen, einerseits aus ärmeren EU-Ländern, andererseits auch aus Drittstaaten. Das rechtliche Tor dafür wurde über die Erweiterung der Mangelberufsliste geschaffen.

Auch in Österreich gibt es noch Ressourcen, die ungenützt sind. Viele der 141.000 ausgebildeten Pflegekräfte würden derzeit dem Markt nicht zur Verfügung stehen, sagt Anschober. Grund seien abschreckende Arbeitsbedingungen, etwa zu viel bürokratischer Aufwand. Um auszuloten, was konkret die Probleme sind, will der Minister daher im Februar und März durch Pflegeheime touren und mit Betroffenen sprechen. Wobei er in diesen Gesprächen eine Klage wohl ziemlich oft hören wird: die mangelnde finanzielle Entgeltung des harten Jobs. Ob ihm Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) dann auch die nötigen Mittel zur Verfügung stellt, um auf diese Forderungen zu reagieren, ist jedenfalls offen.

Kurz fehlt

Offen ist auch, wann Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sich persönlich zu den Ergebnissen der Regierungssitzungen äußern wird. Den Ministerrat zu kommentieren überlässt er bis auf weiteres den Regierungskoordinatoren Blümel und Werner Kogler. Er selbst will sich künftig seine eigenen Auftrittsformate schaffen. (Maria Sterkl, 15.1.2020)