"Eine nachhaltige Schulkultur des gegenseitigen Respekts und der Gleichberechtigung", das will die Stadt Wien im Zuge eines Präventionsprogramms mit dem Titel "Respekt: Gemeinsam stärker" bis Mitte 2021 an zehn Wiener Schulen verwirklichen. "Wien ist eine migrationsgeprägte Stadt. Vielfalt ist Normalität, kulturelle Bereicherung, aber auch Herausforderung. So kommt es immer wieder zu Spannungen, Konflikten, Abwertungen. Gemeinsam mit SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern nachhaltig daran zu arbeiten und somit eine respektvolle Schulkultur zu etablieren, das ist das Ziel", so formulierte es Integrationsexperte Kenan Güngör, der das Projekt fachlich begleitet, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz.
Kein Eintagesprojekt
Konkret sollen an zehn Wiener Neuen Mittelschulen Workshops, Theaterprojekte, Elternarbeit und Fortbildungen für Lehrer durchgeführt werden. Alles basierend auf den Ergebnissen einer Bedarfserhebung, die schon seit einem Jahr läuft. Dafür nimmt die Stadt Wien 1,2 Millionen Euro in die Hand.
"Das ist viel Geld für zehn Schulen, aber wir hoffen, dass das Projekt Vorbildwirkung entfaltet und auch der Bund erkennt, dass es das wert ist", sagt Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ), der das Projekt unter anderem mit Güngör, Frauenstadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) und Maria Vogel-Waldhütter, der Direktorin der NMS Enkplatz I, vorstellte.
Diese ist eine von fünf Schulen, an denen das Projekt ab Februar starten soll. Im Herbst sollen dann fünf weitere folgen. Ausgewählt wurden diese mit Fokus auf regionale Verteilung in Wien, die Bereitschaft, sich an dem Projekt zu beteiligen, und auf Basis des Wiener Chancenindex, der zeigt, in welchen Schulen besonderer Förderbedarf besteht. Das Ganze sei kein Eintagesprojekt, betonte Czernohorszky, sondern es soll ein Jahr lang intensiv an den Schulen gearbeitet und am Ende ein gemeinsames Schulleitbild für die Zukunft erarbeitet werden.
Eltern gezielt ansprechen
Als erste Maßnahme soll es bereits nach den Semesterferien 2020 in der NMS Enkplatz I einen eigenen Rückzugsraum für Mädchen sowie Burschen geben. Dieser soll durch Workshops zu den Themen Selbstbestimmung, Vorurteile und Hass im Netz begleitet werden. Unterstützt werden die Lehrer von 17 Kooperationspartnern wie dem Verein Wiener Jugendzentren, Poika (Burschenarbeit), Sprungbrett (Mädchenarbeit) oder Zara (Antirassismusarbeit). An dieser NMS wie auch an vielen anderen gibt es nämlich keine Schulsozialarbeiter.
Für die Pädagogen soll es Fortbildungen und Supervision geben, um konkrete Handlungsoptionen im Schulalltag zu besprechen, und auch die Eltern sollen miteinbezogen werden. "Eltern spielen eine starke Rolle in Bezug auf die Wertvorstellungen der Kinder", sagt Güngör. Oft würden sie aber allein schon aufgrund sprachlicher Hürden nicht am Schulleben teilnehmen. Damit in der Schule und zu Hause nicht einander widersprechende Wertbilder vermittelt werden, sollen Eltern gezielt durch aufsuchende Arbeit angesprochen werden, so der Integrationsexperte.
"Wenn Sie mich fragen, warum wir bereit sind, diesen Weg zu gehen: Wir wollen diese gemeinsame, angstfreie, respektvolle Schule haben", sagt Direktorin Vogel-Waldhütter. (Johannes Pucher, 15.1.2020)