Es war wohl schon lange klar, dass es erheblicher Anstrengungen bedurfte und bedarf, um immer schärfere Grenzwerte für Schadstoffe und Kohlendioxidausstoß zu erfüllen. Allein, die wirtschaftliche Dynamik des Autogeschäfts hat mit dem SUV-Boom sogar in die gegenteilige Richtung geführt. Statt mit aller Kraft auf langfristige Ziele hinzuarbeiten, hat man lieber auf Teufel komm raus Autos verkauft und mit Software-Tricks die Abgaswerte verschönert statt verbessert.

Der Dieselskandal hat dann alle Autohersteller voll in die Zwickmühle gestürzt. Noch schärfere Limits als ursprünglich vereinbart wurden durchgesetzt, Strafzahlungen drohen, die Kapitaldecke einiger – vor allem deutscher – Autohersteller anzunagen, plötzlich sind die Karten neu gemischt. Um Flottenverbrauchslimits einzuhalten, müssen nun vermehrt Elektroautos verkauft werden, die im ersten Moment niemand will, weil sie viel teurer sind als gewohnt und mitunter auch Verhaltensänderungen bei der Benutzung einfordern. Parallel dazu wandelt sich das Kaufverhalten der Menschen durch neue Kommunikationskanäle gerade gravierend. Entfesselte globale Warenströme verändern auch die Produktion von Konsumartikeln bis hin zum Auto rapid. Bald werden weder die Autos noch deren Herstellung noch deren Vertrieb so sein wie bis jetzt gewohnt.

Ferdinand Dudenhöffer erläutert wissenschaftliche Erkenntnisse stets verständlich und spitzt sie gerne für sein Publikum zu. Deshalb sind seine Auftritte auch sehr gefragt.
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Spritspartechnik als Exportschlager

Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen und Gründer der privaten Forschungsanstalt "CAR-Center Automotive Research" ebendort, setzt sich mit dem Phänomen des selbstbeschleunigenden Wandels in der Autoindustrie seit langem auseinander und hat aufgrund vieler TV-Auftritte und Medienberichte schon einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht. Bei einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer Wien und des Vereins "Mein Auto" brachte Dudenhöffer seine Sicht auf den Punkt. So sieht Dudenhöffer, dass sich die Autoindustrie mit ihrer Laschheit bei der Einhaltung freiwilliger Vereinbarungen zwar selbst im Weg gestanden ist, um dann mit dem, was die EU vorgeschrieben hat, trotzdem gute Geschäfte zu machen. Die deutsche Autoindustrie hat zwar immer gebremst und zugleich mit Spritspartechnik viel Geld verdient. Dudenhöffer: "Spritspartechnik ist ein Exportschlager geworden. Man hätte der EU-Kommission eigentlich einen Orden verleihen müssen." Der Automobilexperte ist sich auch ganz sicher, dass an der Elektrifizierung des Autos kein Weg vorbeiführt. Dudenhöffer: "Die CO2-Regulierung für 95 Gramm pro Kilometer gilt ab 2020. Aber richtige Strafzahlungen fangen 2022 an. Wer den Grenzwert nicht erfüllt, muss pro Gramm CO2, das über diesem Grenzwert liegt, für alle seine Autos 95 Euro bezahlen. Dagegen braucht man dann Elektrotechnik und Elektrofahrzeuge."

Strafzahlungen

Zur Ergänzung: 95 Euro pro Gramm Überschreitung multipliziert mit der Anzahl der verkauften Autos ergibt je nach Prognose und Größe des Autoherstellers jährliche Strafzahlungen von mehreren Hundert Millionen Euro, bei wirklich großen Unternehmen wie der VW-Gruppe kann das auch weit über der Milliarde liegen. Aus dieser Falle kommt ein Autohersteller nur heraus, indem er möglichst viele elektrifizierte (Plug-in-Hybride) oder vollelektrische Autos verkauft. Sie senken den Schnitt erheblich, verkaufen sich bekanntlich aber nicht von selbst. Das ist dem Autohersteller sogar etwas wert. Dudenhöffer: "Man kann davon ausgehen, dass es stattliche Subventionen geben wird, aber Elektroautos und Plug-in-Hybride werden möglicherweise preisgünstiger verkauft, weil Hersteller dann nicht in Strafzahlungen reinkommen." Die Autohersteller stehen also unter erhöhtem Kostendruck. Peugeot-Citroën-Opel-Chef Carlos Tavares will diesen Zwang gleich für eine grundlegende Restrukturierung seiner Produktion nutzen und beim Personal ansetzen. Dudenhöffer: "Sein Ziel ist, von 100 Euro Umsatz nur noch zehn Euro für Mitarbeiter auszugeben, also zehn Prozent Mitarbeiterkosten am Gesamtumsatz. Heute liegt man bei 13 bis 14 Prozent, VW aktuell bei 17 Prozent."

Dudenhöffer ist davon überzeugt, dass man, wenn man künftig die e-Reichweite von Plug-in-Hybriden erhöht, man sich den Verbrenner gleich sparen könnte.
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Wenige Chancen für Plug-in-Hybride

Für die Plug-in-Hybride sieht Dudenhöffer trotz des extrem niedrigen CO2-Ausstoßes am Papier wenig Chancen. Obwohl die Modellpalette vieler Hersteller verbreitert wurde, ein Renner sind sie nach wie vor nicht. Dudenhöffer: "Jetzt will man Plug-in-Hybride bauen, die 150 km elektrisch fahren, da kann ich gleich 250 oder 300 km draus machen und spar mir den Verbrennungsmotor, der sehr teuer ist. Hosenträger und Gürtel braucht man nicht." Auch der Brennstoffzelle räumt er im Pkw wenig Chancen ein, weil sowohl die Autos als auch eine flächendeckende Tankstelleninfrastruktur einfach zu teuer sind. Für Busse und Lkw ist sie dagegen ideal Dudenhöffer: "Da können Sie lange Strecken elektrisch fahren, und wenige Tankstellen an der Autobahn genügen." In Bezug auf das Elektroauto führt Dudenhöffer Versäumnisse der Autohersteller nicht nur auf das Elektroauto selbst zurück: "Parallel zu den Autos hat Tesla die Schnellladestationen gebaut. Andere große Autohersteller haben gesagt, bei Lademöglichkeiten, da ist die Politik gefragt." Dudenhöffer kommt zu dem Schluss, dass alle Verkaufsstatistiken bestätigen, dass eigene Autos noch immer sehr wichtig sind und dass es Sharing-Modelle seit Jahrzehnten schwer haben – er hält auch den Zusammenschluss von car2go (Daimler) und DriveNow (BMW) eher für ein Indiz für schleppende Geschäfte als für den Hinweis auf ein Erfolgsmodell. (Rudolf Skarics, 23.01.2020)