Achtung, Fußgänger! Die Zahl der tödlichen Unfälle mit Zufußgehenden ist wieder gestiegen. Die neue Regierung will prüfen, ob und wo die Straßenverkehrsordnung diese Verkehrsteilnehmer benachteiligt.

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Jedes Todesopfer im Straßenverkehr ist eines zu viel. Erfreulicherweise ist die Tendenz im Langzeitvergleich positiv: Die Zahl der Menschen, die auf Österreichs Straßen ihr Leben verlieren, ging tendenziell zurück, zuletzt stagnierte sie aber. 2018 war sie mit insgesamt 409 im Straßenverkehr getöteten Menschen so niedrig wie noch nie. Für das vorige Jahr weist die Unfallstatistik des Innenministeriums beinahe die gleiche Gesamtzahl getöteter Verkehrsteilnehmer (410) aus.

Was auffällt: Im Vergleich zu 2018 starben wieder deutlich mehr Fußgänger im Straßenverkehr. 68 Zufußgehende kamen 2019 ums Leben, während es im Jahr davor 47 gewesen waren. Vergleicht man allerdings die vorangegangenen Jahre mit dem aktuellen Wert, liegt er unter jenem der Vorjahre. So waren 2014 bis 2017 im Durchschnitt 75 Zufußgehende pro Jahr gestorben.

Sechs Kinder

Details zur Unfallstatistik 2019, die DER STANDARD beim Innenministerium erfragte, zeigen, dass sechs Kinder unter 15 Jahren unter den getöteten Fußgängern waren (2018 keines). Besonders gefährdete Fußgänger sind betagte Menschen: Jeder zweite Getötete war 75 Jahre alt oder älter.

Zwei Drittel der Unfälle ereigneten sich im Ortsgebiet. Der Bundesländervergleich zeigt Unterschiede auf: In Oberösterreich kamen die meisten Fußgänger (15) ums Leben, gefolgt von Niederösterreich (zehn), Kärnten und der Steiermark (je acht) sowie Salzburg und Wien (je sieben). In Tirol waren sechs, in Vorarlberg vier getötete Fußgänger zu beklagen. Die wenigsten, nämlich drei, betrafen das Burgenland.

Ursache Unachtsamkeit

Zwei Drittel der Unfälle werden auf Eigenverschulden zurückgeführt, von den 27 fremdverschuldeten war in den meisten Fällen (16) ein Pkw involviert, in zehn Fällen ein Lkw. Die häufigsten Ursachen waren in den Vorjahren Unachtsamkeit und Ablenkung.

Ein tödlicher Unfall mit einem Lkw, der besonders viele Menschen in Österreich betroffen machte, ereignete sich am 31. Jänner 2019 in Wien. Ein neunjähriger Bub kam dabei ums Leben, weil ein Lastwagenlenker ihn beim Abbiegen übersehen hatte. Rund 75.000 Menschen unterschrieben danach eine Petition für die Ausstattung von Lkws mit Abbiegeassistenten, die zu einer innenpolitischen Diskussion darüber führte. Abbiegeassistenten werden zwar in der EU für neu zugelassene Lkws ab 2022 Pflicht, eine verpflichtende Nachrüstung wurde in Österreich unter Türkis-Blau aber nicht beschlossen.

Förderung möglich

Auch im Programm von Türkis-Grün findet sich derlei nicht, es solle aber eine Förderung für den Einbau von Abbiegeassistenten geprüft werden, heißt es im Kapitel Verkehrssicherheit. Generell will die neue Regierung mehr Augenmerk auf die Verkehrsteilnehmer Fußgänger und Radfahrer legen. Dafür soll es im Verkehrsministerium auch eine eigene Organisationseinheit für diese Gruppen geben, und im Stadtgebiet sollen Fußgänger bei der Gestaltung mehr mitgedacht werden.

Außerdem soll in Begegnungszonen nur mehr strikt Tempo 20 gelten und die Straßenverkehrsordnung auf Benachteiligungen des Radfahrens und Zufußgehens hin evaluiert werden. Weiters soll es künftig eine verpflichtende, einheitliche Verkehrserziehung geben, und gegen Alkolenker soll effektiver eingeschritten werden.

Warten auf ein Programm

Inwieweit sich all diese Vorhaben auf die Sicherheit der Fußgänger im Straßenverkehr tatsächlich auswirken werden, bleibt abzuwarten. Und auf vieles wartet man wohl noch etwas länger: Türkis-Grün will nämlich erst ab dem Jahr 2021 ein Verkehrssicherheitsprogramm ausarbeiten. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ), der am Mittwoch auf die 2019 wieder gestiegene Zahl getöteter Fußgänger aufmerksam gemacht hat, fordert mehr Verkehrsberuhigung im Ortsgebiet und sichere Gehwege zwischen Siedlungen und dem nächstgelegenen Ort. Insbesondere in Wohngebieten wäre laut Verkehrsclub ein Mehr an Begegnungszonen und Tempo 30 statt 50 im Ortsgebiet angebracht. Tempo 50 solle im Ort nur mehr dort gelten, wo es aus Sicht der Verkehrssicherheit zulässig sei, fordert der VCÖ. (Gudrun Springer. 15.1.2020)