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Alles, was Sie (nie) über Sex wissen wollten: Grischka Voss in "Bulletproof".

Picturedesk / Andreas Friess

Seit den Vagina Monologen von Eve Ensler 1996 ist viel passiert. Nur für "Penis-Monologe" ist die Zeit immer noch nicht reif. Das männliche Geschlechtsteil scheint – so der Ansatz in Grischka Voss’ Theaterstück Bulletproof– ausreichend thematisiert und repräsentiert, während das weibliche auf Glanz und Gloria vergeblich wartet. Allein die mickrige Synonymauswahl ist ein Indiz dafür: Vulva, Scham. Ende.

Man kann Bulletproof als Beschwerderede begreifen: Eine Frau (Voss) rekapituliert entlang ihrer sexuellen Erfahrungen die weitgehende Unerforschtheit und Tabuisierung ihres Unterleibs. Alles kommt vor: klerikale Verunglimpfung, Schönheits-OPs, Monatsblutung, Masturbationsworkshops. Voss wandelt beim gleichförmigen, kabarettistischen Erzählen über den rosaroten Plüschteppich einer über die Bühne des Theaters Drachengasse ausgelegten Riesenvulva (Regie: Kristina Bangert, Voss).

Size matters

Das erreicht dann seinen Höhepunkt, wenn die Erzählerin die Size-matters-Faszination vom männlichen aufs weibliche Genital überträgt und sich vorstellt, sie würde mit ihren gigantischen, ausgeklappten Schamlippen, welche von zwei Butlern wie eine Schleppe getragen werden, über die Treppe des Hotel Ritz schreiten. Haha! Woody Allen lässt grüßen!

Andererseits ist heute nichts so sehr enttabuisiert wie Sexualität und Nacktheit, sodass Grischka Voss mit ihrer wetternden Rede weitgehend offene Türen einrennt. Und Klischees bedient: Die Erzählerin repräsentiert den Typ nymphomanisch veranlagte Singlefrau, trägt ein enges, schwarzes Lederoutfit und spricht emanzipatorisch gedacht, aber in der Wirkung abfällig, wie es sich ein Mann nie erlauben dürfte. Die Fantasie einer "jungen braungebrannten Gärtnerin" würde man einem Erzähler umgehend als Sexismus auslegen. (afze, 16.1.2020)