Die Bestimmung der Dringlichkeit auf der Warteliste für eine Spenderleber ist noch nicht optimal. Verbesserungen könnte der Von-Willebrand-Faktor bringen.

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Wien – Wie schnell in Österreich ein Patient eine Spenderleber erhält, hängt von der medizinischen Dringlichkeit ab. Die Patienten werden derzeit anhand eines aus drei Laborparametern gebildeten Scores, dem sogenannten Model for End Stage Liver Disease Score (MELD), gelistet. Das Problem: MELD ist relativ ungenau, die Sterblichkeit auf der Warteliste liegt bei etwa 20 Prozent.

Eine besondere Herausforderung stellt die Identifikation von Patienten mit hohem Risiko für lebensbedrohliche Blutungen durch Pfortaderhochdruck (portale Hypertension) oder Infektionen bei gleichzeitig niedrigem MELD-Score dar. "Wir haben gezielt nach einer Möglichkeit gesucht, die bestehenden Schwächen der MELD-basierten Allokation auf einfachem Wege zu verbessern und Patienten mit einem hohen Risiko trotz niedrigen MELD-Scores zu identifizieren", sagt Georg Györi, Transplantationschirurg und Leiter der Transplantationsambulanz am AKH Wien.

Fündig wurde der Mediziner im sogenannten Von-Willebrand-Faktor (vWF). Dabei handelt es sich um ein Protein und zentralen Bestandteil der Hämostase (Blutstillung, Anm.), das in Thrombozyten und Endothelzellen gespeichert ist. Es hat sich in vorangegangenen Studien als guter Parameter für die Endothelzelldysfunktion gezeigt und konnte in einer Studie aus dem Jahr 2018 auch als zentraler Faktor für die postoperative Leberregeneration identifiziert werden.

Zuteilung von Spenderorganen verbessern

Auch bei portaler Hypertension und deren Komplikationen konnte kürzlich ein klarer Zusammenhang mit dem vWF-Antigen beobachtet werden. "Dies ist von besonderer Relevanz, da dies eine der zentralen Ursachen für das Versterben auf der Warteliste für eine Lebertransplantation darstellt", erklärt David Pereyra, Erstautor einer Ende 2019 erschienenen Studie, die im Fachjournal "Hepatology" veröffentlicht wurde. Der große Vorteil sei dem Wissenschafter zufolge, dass sich das vWF-Antigen ohne wesentlichen Aufwand durch eine routinemäßige Blutabnahme bestimmen lässt.

In der Studie zeigte sich, dass das vWF-Antigen tatsächlich unabhängig vom bereits etablierten MELD-Score die Sterblichkeit auf der Warteliste vorhersagt. Weiters konnten die Studienautoren zeigen, dass das vWF-Antigen in Kombination mit dem MELD die Genauigkeit deutlich verbessern kann. "Wir waren überrascht, wie unglaublich stark der Effekt von vWF-Antigen in Kombination mit dem MELD-Score ist. vWF-Antigen scheint demnach einen ganz neuen Aspekt in der Sterblichkeit auf der Warteliste widerzuspiegeln. Die Messung dieses einzelnen Parameters erlaubt es, die Vorhersage des Drei-Monats-Überlebens auf der Warteliste um 12,5 Prozent zu verbessern", sagt Studienleiter Patrick Starlinger, Leiter der Arbeitsgruppe für translationelle und experimentelle Leberforschung an der Med-Uni Wien.

Starlinger arbeitet derzeit an der Mayo Clinic in den USA an einer Validierungskohorte, um die Beobachtung der aktuellen Studie zu prüfen. Sollten sich die Ergebnisse als valide herausstellen, könnte ein Dringlichkeitssystem umgesetzt werden, das die bestmögliche Zuteilung von Spenderorganen gewährleistet. (red, 20.1.2020)