Bei einem Besuch im Altenheim machte sich eine Delegation von Politikern, darunter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), ein Bild der Pflegewelt.

Foto: www.corn.at Heribert CORN

Wien – Die von Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) angekündigten Reformen im Pflegebereich finden beim Hilfswerk Anklang. Um den Mehrbedarf an Pflegekräften zu decken, sollte aber zusätzlich eine Pflegelehre eingeführt werden, sagte Geschäftsführerin Elisabeth Anselm am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Vorbild für Österreich könnte aus ihrer Sicht das Schweizer Modell sein.

Größte Herausforderung in der Pflege sei der Personalmangel. Mit der aktuellen Anzahl an Absolventen könne der prognostizierte Bedarf nicht gedeckt werden, so Anselm: "Spätestens 2024 geht sich das auf gar keinen Fall mehr aus, wenn wir nichts tun." Bis 2030 werde es einen zusätzlichen Bedarf an rund 75.000 Pflegekräften geben. Um dem entgegenzutreten, brauche es ein Bündel an Maßnahmen.

AK und Gewerkschaft gegen Pflegelehre

Das Regierungsprogramm sieht die "Einführung einer Pflegelehre PFA unter Berücksichtigung eines altersspezifischen Curriculums" vor. Kritiker einer Pflegelehre, darunter Arbeiterkammer und Gewerkschaft, sehen unter anderem das geringe Alter von Lehrlingen, die schon mit 15 Jahren mit dem herausfordernden Feld der Pflege konfrontiert wären, als Problem. Außerdem sei in der Schweiz die Drop-out-Rate hoch.

Entwickler des Modells: 50 Prozent Drop Out Rate

In der Schweiz wurde bereits vor 15 Jahren begonnen, die Pflegeausbildung neu zu gestalten, berichtete Urs Sieber, Geschäftsführer der Schweizer Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit (OdASante), bei der Pressekonferenz des Hilfswerks. 2004 wurden mit einem neuen Berufsbildungsgesetz zwei neue Berufe geschaffen: Assistent/-in Gesundheit und Soziales und Fachfrau/-mann Gesundheit, für die eine zwei- beziehungsweise dreijährige Lehre absolviert werden muss.

Der Schutz junger Auszubildender werde durch eine entsprechende Gestaltung der Curricula, durch adäquate Anleitung der Lehrbetriebe sowie durch umfassende Arbeitsschutzbestimmungen gewährleistet, sagte Sieber. Die Drop-out-Quote liege im Bereich der Pflege zwar bei 50 bis 60 Prozent, 80 Prozent der Ausgebildeten blieben aber im Gesundheitsbereich. Fachfrau/-mann Gesundheit liege in der Schweiz mittlerweile an zweiter Stelle der meistgewählten Lehrberufe. "Es ist eine Erfolgsgeschichte", sagte Sieber.

"Das gegenwärtige österreichische Ausbildungssystem ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems", kritisierte Anselm. Problematisch sei insbesondere die lange Wartezeit zwischen dem Abschluss der Pflichtschule und dem Beginn der Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege mit 17 Jahren. Diese Lücke könnte einerseits durch die geplante Schule, aber auch durch die duale Ausbildung in Form einer Lehre geschlossen werden. Lehrstellen könnten bei Spitälern, Pflegeheimen und mobilen Diensten entstehen. "Wir sind wild entschlossen, einen Beitrag zu leisten", betonte Anselm. (APA, 16.1.2020)