Wir wissen schon lange über Zusammenhänge zwischen unserer Lebensweise und einer sich verändernden Umwelt Bescheid.

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Schon in den 70er-Jahren schrieben Soziologen über Zusammenhänge zwischen unserer Lebensweise und einer sich verändernden Umwelt. 1992 sprach die zwölfjährige Severn Cullis-Suzuki auf der UN-Klimakonferenz in Rio de Janeiro von einer Zukunft, die ihr geraubt werde – lange bevor Greta Thunberg überhaupt geboren wurde. Und nicht zuletzt zeigte der US-amerikanische Autor Nathaniel Rich mit seinem Buch "Losing Earth", dass es einen Startschuss für einen Kampf gegen den Klimawandel eigentlich schon vor 20 Jahren gegeben hatte.

Seither haben wir nur zusätzlich Wissen über das, was passiert, und das, was passieren sollte, gesammelt. Doch trotz alldem scheinen Veränderungen hin zu einer "Transformation der Nachhaltigkeit" nur schleppend voranzugehen. Woran scheitert der Wandel? Das ist der Ausgangspunkt für den Sammelband "Nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit", verfasst von Forschern und Forscherinnen des Instituts für Gesellschaftswandel und Nachhaltigkeit (IGN) der WU Wien.

"Eine Gesellschaft der Nachhaltigkeit ist – trotz neuer Klimabewegung, grüner Wahlerfolge und vielfältiger ökologischer Modernisierungsprojekte – nirgends in Sicht", schreibt Ingolfur Blühdorn, Leiter des IGN und Herausgeber des Buches. Die Gesellschaft wolle sich nicht vom Wohlstand verabschieden. Zu groß sei der eigene Anspruch auf unbegrenzte Freiheit und Selbstverwirklichung. Daraus resultiere eine Politik der Nichtnachhaltigkeit.

Keine Wohlfühllektüre

Ein Beispiel für den Stillstand auf staatlicher Ebene liefert Daniel Hausknost: Ein Staat verspricht einen guten Lebensstandard, der in der modernen Gesellschaft unweigerlich mit größtmöglicher Konsum- und Bewegungsfreiheit verbunden ist.

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Gleichzeitig weiß er über biophysische Grenzen dafür Bescheid. Die Folgen höherer Benzinpreise, Flugtickets oder tierischer Lebensmittel demonstrierte die Gelbwestenbewegung in Frankreich. Eine schmerzfreie Umsetzung ist aus staatlicher Sicht also unmöglich. Einzig technologische Alternativen könnten etwa ein Verbot von Verbrennungsmotoren trotz höherer Kosten für Konsumenten möglich machen. Doch wäre dieses Staatshandeln stark genug, um die Klimakrise abzuwenden?

Wer nach einer positiven Wohlfühllektüre mit vielen Handlungsanleitungen sucht, ist bei diesem Buch fehl am Platz. Vielmehr ist es ein sozialwissenschaftliches Pendant zu Al Gores unbequemer Wahrheit: Akteure feiern zwar Versuche, die beschreiben, dass nun alles anders werde. Doch diese würden dazu verleiten, nicht allzu kritisch über sie nachzudenken. Es sei schlicht die Verantwortung ihres Faches zu klären, wieso vorhandene Lösungsvorschläge nicht greifen.

Was an Hoffnung bleibt, ist wie so oft die Generation Fridays for Future. Sie beginnt sich zum Teil von den materiellen Normen, die die Basis der nichtnachhaltigen Gesellschaft bilden, zu befreien. Und nimmt man es genau, ist dieses Buch auch eine Art Lösungsansatz: einer, der versucht, vorherrschende Lösungsansätze in der Nachhaltigkeitsforschung zu durchbrechen – und somit womöglich zu neuen, praktikableren Ufern aufzubrechen. Pragmatiker finden dann sogar einen Funken Hoffnung in dem womöglich optimistischsten Satz des Buches: "Trotz aller Zweifel an den gängigen Aktivierungs-, Beruhigungs- und Selbstbestätigungserzählungen gibt es auch keinen Grund zu der Annahme, dass eine gesellschaftliche Transformation zur Nachhaltigkeit unmöglich wäre." (Katharina Kropshofer, 18.1.2020)