Für die künftige Gestaltung der grünen Kulturpolitik, schwebt Ulrike Lunacek eine klare Arbeitsteilung vor: "Eva Blimlinger ist Legislative, ich bin Exekutive, da werden wir sehr gut zusammenarbeiten."

Mathias Cremer

Im Büro der Sektion II, Kunst und Kultur, am Wiener Concordiaplatz herrscht Betriebsamkeit wie lange nicht mehr. Ulrike Lunacek, die erste Kulturstaatssekretärin seit Franz Morak (2000 bis 2007), wird mit ihrem Kabinett nicht wie ihre Vorgänger im Kanzleramt residieren, sondern dort, wo Kulturpolitik tatsächlich gemacht wird: ganz nah an der Beamtenschaft.

Es sei ihr wichtig gewesen, den Erfahrungsschatz der Verwaltung zu berücksichtigen, sagt Lunacek bei ihrem ersten größeren Mediengespräch seit der Angelobung. Dass sich mit der 62-Jährigen erstmalig ein Regierungsmitglied einzig und allein auf die Kultur ohne Zusatzagenden konzentrieren kann, sei der große Vorteil dieses Staatssekretariats. Herabstufung kann sie also keine erkennen, im Gegenteil.

Verständnis hat Lunacek allerdings dafür, dass viele Eva Blimlinger in dem Job erwartet hätten – immerhin hat die Ex-Kunstuni-Rektorin federführend das Kultur-Regierungsprogramm mitgestaltet. Werner Kogler, zu dessen engsten Vertrauten Lunacek zählt, habe sich dann aber doch für sie entschieden.

Bestes Einvernehmen mit Blimlinger

Mit Blimlinger sei man dennoch im besten Einvernehmen. Sie wird Vorsitzende im Parlamentskulturausschuss und soll – daraus macht Lunacek kein Geheimnis – kräftig mitmischen: "Sie ist die Legislative, ich bin die Exekutive, da werden wir sehr gut zusammenarbeiten", versichert Lunacek.

Privat interessiere sie sich seit jeher sehr für Kultur und wollte sogar Pantomimin werden. Aufgewachsen in einem konservativ-bildungsbürgerlichen ÖVP-Haushalt, sei sie früh mit Klassik und Oper konfrontiert worden, ihr Vater sei einst bei den Wiener Sängerknaben gewesen. Später habe sie sich mehr für zeitgenössichen Tanz, Musik und Theater zu interessieren begonnen.

Das Klischee, die Grünen würden sich genetisch einer Gegenkultur zurechnen und von daher wenig mit repräsentativer Kunst anfangen können, will Lunacek nicht mehr gelten lassen: Als die Grünen vor über 30 Jahren in die Politik gingen, sei die Kulturpolitik noch sehr patriarchal und traditionell dominiert gewesen. "Heute ist vieles schon besser. Aber es gibt noch immer Dinge wie das Geschlechterverhältnis in den Museumskuratorien, das wir gerechter machen wollen."

Kampf gegen Prekarität

Für ihre ersten inhaltlichen Vorhaben skizziert Lunacek aber anderes: Das Thema Prekarität und "Fair Pay" im Kulturbetrieb – aktuell unter anderem am Burgtheater virulent – steht für sie ganz oben auf der Agenda. Hier habe die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler jüngst einen guten Vorstoß unternommen, dem sich Lunacek anschließen wolle. Auch andere Länder – mit Salzburg und Tirol hatte sie bereits Gespräche – will Lunacek hier mit ins Boot holen.

Rasch umsetzen will die Staatssekretärin den Ankauf des Areals des früheren KZs Gusen und die Errichtung einer Gedenkstätte an dem Ort. Energieeffizienz soll bei der Sanierung diverser Kulturgebäude (Salzburg, Bregenz) im Vordergrund stehen.

Bei der im Regierungsprogramm angekündigten Einrichtung einer übergeordneten Holding nach dem Vorbild der Bundestheater auch für die sieben Bundesmuseen versucht Lunacek Bedenken der Museumsdirektoren zu zerstreuen: Es gehe ihr keineswegs darum, inhaltliche Autonomie zu beschneiden, sondern sie wolle eine wirtschaftliche Einheit schaffen, damit der seit langem geforderte Kollektivvertrag für Museumsmitarbeiter verhandelt werden kann.

Kein Verständnis für Handke

Deutlich macht Lunacek, dass ihr die derzeitigen 0,6 Prozent des Budgets für Kultur zu wenig sind: "Es soll Erhöhungen geben. Die haben wir ins Regierungsprogramm hineinverhandelt. Zahlen kann und möchte ich aber noch keine nennen." Auch für eine automatische Inflationsanpassung der Basissubventionen für die Kulturbetriebe – ein Grundaspekt des "Fair Pay"-Gedankens – will sich Lunacek einsetzen.

Zu jenen vieldiskutierten Museumsprojekten, die im Regierungsprogramm fehlen – ein mögliches Fotomuseum in Salzburg und das Haus der Geschichte –, hat Lunacek noch keine abgeschlossene Meinung: Die Expertenstudien, die dazu 2019 vorgelegt wurden, seien jedenfalls "nicht für die Katz", man werde sich die Vorschläge genau anschauen und mit allen sprechen. Nur so viel: Ein physisches Fotomuseum werde es wohl nicht geben, dafür aber ein "virtuelles Ausstellungsformat – etwas, was in meinen Augen einfach zeitgemäßer ist."

Das Haus der Geschichte – sie war bereits dort – sei wiederum räumlich zu beengt. "Ob es jetzt einen Neubau gibt und wenn ja, wo, das ist alles im Werden." Zur Expertenempfehlung eines Neubaus auf dem Heldenplatz fügt Lunacek skeptisch an, dass der Platz auch unter Denkmalschutz stehe.

Konfliktscheu scheint Lunacek trotz ihrer diplomatischen Art nicht immer zu sein: "Die Entscheidung für den Nobelpreis an Peter Handke konnte ich nicht wirklich nachvollziehen", sagt sie. "Ich habe früher einiges von ihm gelesen, hat mir auch sehr gut gefallen, aber diese Art, sich zu politischen Themen zu äußern, wo zigtausenden Menschen großes Leid zugefügt wurde – das habe ich nicht verstanden." Da bricht dann die gelernte Europaexpertin in Lunacek durch – ein politisches Vorleben, das sie bewusst in ihr neues Amt mitnehmen will. (Stefan Weiss, 17.1.2020)