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Das traute Familienbild hat hierzulande Schattenseiten: Es sind meist die Frauen, die wegen der Kinder zurückstecken – mit weniger Einkommen und Pension als Folge.

Foto: Getty Images / Aleksandar Nakic

Markus Terrant zauderte nicht lange. Eben erst hat er im STANDARD über die Möglichkeit des Pensionssplittings gelesen, da war der Beschluss gefasst: Der Familienvater will seiner Partnerin einen Teil der eigenen Pensionsansprüche überschreiben. Weil die Lebensgefährtin wegen der beiden Kinder viel länger daheim blieb und nun nur geringfügig arbeitet, erzählt er, "fühle ich mich moralisch verantwortlich".

Seltsam findet Terrant aber, dass Paaren die Entscheidung aufgebürdet werde. Wie komme etwa eine Frau dazu, ihren Mann erst bitten zu müssen? Der Staat, sagt er, sollte das Modell zur Pflicht machen.

Ein Teil der Koalitionsverhandler sah das genauso. Im türkis-grünen Pakt findet sich der Plan, das Pensionssplitting, das bis dato nur in einer wenig genutzten freiwilligen Variante existiert (siehe Wissen unten), für Eltern zum Standard zu machen. Bis das gemeinsame Kind zehn Jahre alt ist, sollen die Pensionsansprüche addiert und halbe-halbe auf beide Partner aufgeteilt werden.

Sinn der Sache: Jener Elternteil, der für die Kinder beruflich zurücksteckt, soll finanziell abgegolten werden. Bisher sorgt nur der Staat für eine Kompensation, indem für vier Jahre pro Kind ein fiktives Monatseinkommen von 1.923 Euro (zwölfmal im Jahr) am Pensionskonto gutgeschrieben wird. Nun soll auch innerhalb der Partnerschaften ein Ausgleich stattfinden.

Allerdings bremst der Sozialminister. Ob das Splitting automatisch passieren soll, sei noch nicht ausgemacht, offenbarte Rudolf Anschober (Grüne) eine eigenwillige Interpretation des Regierungspakts. Hintergrund: Manche Grüne teilen Bedenken, wie sie die oppositionelle SPÖ offen ausspricht. Die vier Jahre Kinderersatzzeiten seien genug Ausgleich, sagt Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek: Komme nun ein automatisches Splitting als Anreiz dazu, könnten Frauen von der Rückkehr ins Arbeitsleben abgehalten werden.

Kindererziehung ist Frauensache

Ist da was dran? Christine Mayrhuber bezweifelt das. Erstens könnte man nach dieser Logik auch die Kinderersatzzeiten für nachteilig halten, zweitens würden Frauen ihren Entschluss eher nicht davon abhängig machen, wie hoch die Pension in 35 Jahren sein wird, sagt die Expertin vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo): Entscheidender sei, ob es einen Job, Kinderbetreuung und finanzielle Notwendigkeit gibt.

Mayrhuber sieht hinter dem automatischen Splitting einen kleinen Schritt, der für Frauen aber jedenfalls Vorteile bringe – und deren Partner zum Mitdenken zwinge, wie die Kinderbetreuung zu stemmen ist: "Bisher waren die Männer da außen vor."

Kindererziehung ist Frauensache: Was nach einem antiquierten Familienbild klingt, weisen Daten in Österreich als hochaktuelle Realität aus. Es sind zu 96 Prozent Mütter, die hierzulande Kinderbetreuungsgeld beziehen. 39 Prozent der Frauen mit Nachwuchs unter 15 Jahren haben laut Statistik Austria wegen der Betreuungspflichten ihre Erwerbsarbeit reduziert. Von den Männern taten dies nur fünf Prozent.

Fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen arbeitet Teilzeit, also unter 35 Stunden pro Woche, gegenüber elf Prozent bei den Männern. Weniger Arbeitsstunden plus – daraus resultierend – geringere Karrierechancen dämpfen den Verdienst, was sich analog im Alter fortpflanzt: Die Bruttojahreseinkommen und Alterspensionen der Frauen liegen im Schnitt um jeweils 37 Prozent unter jenen der Männer. 70 Prozent aller armutsgefährdeten Personen über 65 sind weiblich.

Das Splitting kann für Frauen vor allem im Fall einer Trennung einen Unterschied machen; für Partner mit gemeinsamer Kasse hingegen ändert sich de facto wenig, denn das Modell verteilt ja nur um, erhöht den Bezug aber nicht insgesamt. Allerdings gilt für Pensionistinnen mit besonders kleinen Bezügen: Wer auch dank Umverteilung nicht über die Ausgleichszulage von derzeit 966,65 Euro kommt, hat vom Splitting nichts, weil die Pension ohnehin auf dieses Niveau aufgestockt wird. Der Mann hat dann umsonst einen Teil seiner Ansprüche abgezwackt, was für Paare ein Nachteil ist.

Das Splitting sei mehr für die Mittelschicht gemacht, sagt OECD-Experte Christopher Prinz, was aber nichts am Nutzen der Idee ändere: "Sie steigert das Interesse der Männer, für Kinderbetreuung zu sorgen und ihre Frauen beim Wiedereinstieg in den Beruf zu unterstützen." Sinn ergebe die Übung nur verpflichtend, weil sonst gerade jene Väter außen vor blieben, deren Frauen wohl sagen würden: "Da brauch ich meinen Mann gleich gar nicht zu fragen."

Letztlich aber lindere die Aufteilung der Pensionsansprüche eher nur die Folgen, als das Problem an sich zu beheben: "Es ist eine gesellschaftliche Katastrophe, wie das Potenzial gut ausgebildeter Frauen, so bald sie Kinder haben, in Teilzeitjobs am Niedriglohnsektor vergeudet wird." Um das zu ändern, empfiehlt Prinz den massiven Ausbau des öffentlichen Angebots an Kinderbetreuung und Pflegediensten sowie eine radikale Reform des Kinderbetreuungsgeldes. Prinzip: Jeder Elternteil hat Anrecht auf eine Hälfte bezahlter Karenzzeit – nimmt einer diese nicht in Anspruch, verfällt sie. So bliebe die Aufgabe, sich um den Nachwuchs zu kümmern, nicht a priori an den Frauen hängen.

Keine gottgegebene Arbeitsteilung

Zu letzterer Frage bietet das Regierungsprogramm keine Antworten, sehr wohl aber zu den ersten beiden Punkten. Mit 10.000 neuen Kinderbetreuungsplätzen versprechen ÖVP und Grüne einen Ausbau in einer enormen Dimension, und das Pflegekonzept ist in den Augen des Experten schlüssig, innovativ und ambitioniert – alles natürlich unter der Voraussetzung, dass letztlich genug Geld dafür da ist.

Aber was, wenn es die Familien nicht anders wollen? Umfragen legen nahe, dass die große Mehrheit freiwillig Teilzeit gewählt hat. Nun könnte man einwenden, dass eine freie Wahl nicht wirklich existiere, solange es an Kinderbetreuung und Pflegeangebot mangle. "Aber natürlich ist Österreich auch ein strukturkonservatives Land", sagt Prinz und verweist auf nordische Staaten als Beispiele dafür, dass die heimische Arbeitsteilung "nicht gottgegeben" sei: In Finnland oder Dänemark etwa ist Vollzeit für beide das Modell erster Wahl der Eltern.

"Splitter" Markus Terrant und seine Frau passen hingegen in das klassische Bild. Es habe rein finanzielle Gründe gehabt, warum seine Frau länger bei den Kindern blieb, sagt er, und auch bei der Frage der Rückkehr gehe es ums Geld: "Ein Platz in der Kinderkrippe kostet bei uns in Graz 300 Euro im Monat. Da fängt man zu rechnen an, ob sich mehr arbeiten auszahlt." (Gerald John, 17.1.2020)