Nicht nur Österreich will Wasserstoff eine wichtige Rolle einräumen. Auch China, das mit Fahrverboten für Benziner in Städten mit besonders starker Smogbelastung und üppigen Subventionen für Elektroautobauer den Absatz von E-Autos kräftig angekurbelt hat, will verstärkt auf Wasserstofftechnologie setzen.

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Wien – Geht es nach Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wird Österreich zur Wasserstoffnation Nummer eins. Für die türkis-blaue Regierung war Wasserstoff eines der Steckenpferde, allerdings eines, auf das auch der große deutsche Nachbar aufsprang. Da wie dort soll es Teil des Klimarettungsplans sein, Wasserstoffantrieb im Verkehr einzusetzen. Man sei bereit, dafür tief in die Tasche zu greifen, wie es in Österreich hieß. Mit einer halben Milliarde Euro über ein Jahrzehnt sollten laut den Plänen Unternehmen gefördert werden, die an Wasserstoffantrieben arbeiten. Europaweit gibt es derzeit rund 150 Projekte rund um Wasserstoff, alle gefördert.

Kurz handelte sich mit dem Vorschlag jede Menge Kritik ein: Der Aufbau von Wasserstoffmobilität würde gigantische Ausgaben für Tankstellen und Zuschüsse für die entsprechenden Autos erfordern, hieß es. Wasserstoff sei zu teuer, die Umwandlungsverluste zu groß, urteilten viele. Um 100 Kilometer weit zu fahren, müsse bei Wasserstoff mindestens doppelt so viel Energie eingesetzt werden wie beim batterieelektrischen Antrieb. Andere wiederum kamen zu dem Schluss, dass zwar Wasserstoff beim derzeitigen Stand der Dinge keine Patentlösung sei, aber immerhin ein plausibler Ansatz. Dort nämlich, wo batterieelektrische Anwendungen an ihre Grenzen stoßen – bei hohen Geschwindigkeiten, Reichweiten und Transportlasten. Wasserstoff und Elektrizität müssten einander ergänzen, lautet demnach der Schluss,

Derzeit wird weltweit ein Bruchteil des Wasserstoffs mittels Elektrolyse
hergestellt. Davon stammt nur ein Prozent aus erneuerbaren
Energien.
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Im türkis-grünen Regierungsprogramm hat Wasserstoff ebenfalls ein Plätzchen in Ehren, unter dem Titel "Strategie zur Verwendung alternativer Energieträger in der Mobilität (E-Mobilität, Wasserstoff, synthetische Treibstoffe) mit Fokus auf die Gesamt-Klimabilanz". Man wolle die Wasserstofftechnologie speziell für den Wirtschafts- und Verkehrsbereich entwickeln, steht da lapidar. Keine so dumme Idee, wie der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) in einem Factsheet findet. VCÖ-Expertin Ulla Rasmussen geht davon aus, dass viele Sektoren grünen Wasserstoff brauchen. Damit kommt sie gleich zu einem wesentlichen Punkt.

Grüner Wasserstoff

Voraussetzung für eine sinnvolle Nutzung im Sinne des Ziels, 2050 Klimaneutralität im Verkehr zu erreichen, ist der Einsatz von grünem Wasserstoff. Derzeit wird Wasserstoff allerdings hauptsächlich aus Erdgas hergestellt – hierzulande und anderswo (siehe Grafik). Die paar großen öffentlichen Tankstellen, die es in Österreich gibt, werden zum Beispiel von der OMV betrieben – die gewinnt den Wasserstoff für die Tankstellen nicht aus Solarstrom und Wasser, sondern über die Dampfreformation aus Erdgas, also einem fossilen Energieträger. Damit grüner Wasserstoff zu vertretbaren Kosten erzeugt werden kann, braucht es also günstigen Strom.

Ob grüner Wasserstoff künftig im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energieträgern auch preislich konkurrenzfähig sein werde, hänge von Rahmenbedingungen wie "Marktdesign oder steuerlicher Behandlung" ab, räumt auch der VCÖ ein. Damit steht also gleich am Anfang eine große Unbekannte.

In Sektoren mit hohen täglichen Fahrleistungen, hohem Fahrzeuggewicht
und hoher Zuladung sieht der VCÖ die Anwendungsbereiche der Zukunft.
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Was potenzielle Anwendungsgebiete betrifft, so gibt es bereits künftige oder auch aktuelle Beispiele, die der VCÖ als Vorzeigebeispiele empfiehlt. Was ein künftiges betrifft, so zählt etwa ein Tiroler Projekt dazu: Ab 2023 sollen die weltweit ersten mit Wasserstoff betriebenen Schmalspurzüge durch das Tiroler Zillertal rollen, in verdichtetem Takt, mit kürzerer Fahrzeit und gratis für alle Gäste im Tal. In einer Vergleichsrechnung habe die Wasserstoffvariante um sechs Prozent günstiger abgeschnitten als jene mit Strom-Oberleitung, argumentieren die lokalen Verkehrsbetriebe. Der Wasserstoff soll in einer Elektrolyseanlage in Mayerhofen mit Anspeisung aus dem dortigen Wasserkraftwerk erfolgen, als Back-up ist eine Wasserstoffanlieferung per Lkw nach Jenbach vorgesehen.

Eigene Elektrolyseanlage

Europaweit ist demnach Deutschland der Vorreiter bei wasserstoffbetriebenen Zügen. In Niedersachsen sind zwei Vorserienfahrzeuge im Regelbetrieb, 14 weitere sollen 2021 dazukommen, größere Pläne hat auch der Verkehrsverbund Rhein-Main mit 27 geplanten Brennstoffzellenzügen. Auch Wasserstoffbusse sind schon unterwegs.

Hierzulande testete ÖBB Postbus im Vorjahr Wasserstoffbusse in Graz und zwischen dem Flughafen Schwechat und Wien. Die Wiener Linien starten heuer einen Pilotversuch, ein Langzeittest des Schweizer Postautos über fünf Jahre hat Gutes und weniger Gutes zutage gefördert. Fahrgäste schätzen die ruhige Fahrweise, Anrainer die geringe Lärmentwicklung. Der vergleichsweise hohe Wartungsaufwand der Fahrzeuge und Tankstellen erwies sich allerdings als Nachteil.

Die Tiroler Supermarktkette Mpreis lässt sich von solchen Kleinigkeiten nicht abschrecken. Sie plant den kompletten Umstieg auf Wasserstoff. Heuer werden die ersten drei, bis zum Jahr 2027 alle 42 Lkws der Flotte umgestellt. Mpreis will heuer auch eine eigene Elektrolyseanlage bauen.

Das wäre das Idealbild: Aus Strom von Wind, Wasser und Sonne wird durch Elektrolyse grüner Wasserstoff für den Verkehr hergestellt.
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Grundsätzlich, so der VCÖ, lägen die Vorteile von Wasserstoff bei großen und schweren Fahrzeugen, denn nicht nur die Herkunft des Energieträgers und die Effizienz des Fahrzeugs, sondern auch der "Rucksack" an Energiebedarf, Treibhausgasemissionen und Materialverbrauch – also die gesamte Ökobilanz der Fahrzeugherstellung und -entsorgung – seien entscheidend.

Womit Lastkraftwagen, Busse oder auch Bahnen, bei denen eine Elektrifizierung der Straßen- oder Schienenstrecken mit Oberleitungen ineffizient, unpraktikabel oder zu teuer wäre, infrage kämen. Auch der Pkw würde in diesem Szenario eine Rolle spielen: dann, wenn er hohe Fahrleistungen erbringen soll, wie etwa Fahrzeuge im öffentlichen Dienst, Taxi- und Lieferflotten. Der Individualverkehr als Einsatzmöglichkeit kommt im VCÖ-Konzept naturgemäß nicht vor.

Da gäbe es zumindest hinsichtlich der Kosten Erfahrungen in Japan. Laut der deutschen Zeitung "Die Welt" unterstützt die öffentliche Hand dort den Kauf eines umgerechnet 56.800 Euro teuren Toyota Mirai mit 27.800 Euro. Und weil es in Japan nur rund 100 Wasserstofftankstellen gibt und der freie Markt mangels Nachfrage keine aufstellen will, schießt die Regierung je Tankstelle bis zu 1,5 Millionen Euro Subventionen zu und übernimmt zusätzlich zwei Drittel der Lohn- und Betriebskosten.

Dass Wasserstoffnutzung eine neue Infrastruktur benötigen würde, räumen die VCÖ-Autoren ein. Abschreckend sei das aber nicht. Analysen für Deutschland würden zeigen, dass die Infrastrukturkosten bei Brennstoffzellen- und Batteriefahrzeugen in vergleichbarer Höhe liegen würden – wenn die Fahrleistungen auf heutigem Niveau bleiben. (red, 17.1.2020)