Die jüngste deutschsprachige Ausgabe des immer wieder neu aufgelegten "Silmarillion" ist 2018 bei Klett-Cotta erschienen. Es war das zentrale Werk in Christopher Tolkiens Tätigkeit als Herausgeber.
Foto: Klett-Cotta

Paris – Der britische Literaturwissenschafter und Publizist Christopher Tolkien ist am Mittwoch im Alter von 95 Jahren gestorben, wie die Tolkien-Gesellschaft mitteilte. Der jüngste Sohn des "Der Herr der Ringe"- und "Der Hobbit"-Schöpfers J. R. R. Tolkien (1892–1973) hatte zuletzt mit seiner Frau Baillie in Draguignan im Südosten Frankreichs gelebt.

Als Sprach- und Literaturwissenschafter unterrichtete Christopher Tolkien wie sein Vater an der britischen Universität Oxford. Und er war unter den vier Kindern des Autors derjenige, der am stärksten in das Werk seines Vaters involviert war. Christopher hatte seinen Vater bereits bei der Entstehung des "Herrn der Ringe" beraten, zudem zeichnete er die Karte des fiktiven Kontinents Mittelerde, auf dem sich die Ereignisse von "HdR" und "Hobbit" abspielen.

Getreuer Nachlassverwalter

Seine bedeutendste Tätigkeit entfaltete Christopher Tolkien aber nach dem Tod seines Vaters als dessen literarischer Nachlassverwalter. Christopher durchforstete die Unmengen an Manuskripten, die sein Vater hinterlassen hatte und von denen einige als Grundlage weiterer Romane gedacht waren. Das wichtigste Werk, das so entstand, ist das 1977 veröffentlichte "Silmarillion", ein loser Sagenkreis, der die mehrere Jahrtausende in die Vergangenheit zurückreichende Vorgeschichte der Welt von Tolkiens Romanen erzählt. Der Name rührt von den Silmaril her, magischen Juwelen, die lange vor den Geschehnissen um den Ring der Macht Kriege von noch verheerenderem Ausmaß auslösten.

"So befremdlich es klingen mag, ich wuchs auf in der Welt, die mein Vater geschaffen hat. Die Städte des Silmarillion sind für mich wirklicher als Babylon," sagte Christopher Tolkien einmal.
Societatea Tolkien din România | Romanian Tolkien Society

In den folgenden Jahrzehnten veröffentlichte Christopher Tolkien neben der zwölfbändigen "History of Middle-earth" immer wieder Bücher, in denen einzelne Ausschnitte aus diesem Sagenkreis hervorgehoben wurden. In textkritischen Ausgaben stellte er dafür die unterschiedlichen – und mitunter widersprüchlichen – Versionen dieser Geschichten einander gegenüber, da J. R. R. Tolkien seine Erzählungen über Jahrzehnte hinweg immer wieder überarbeitet oder neue Versionen geschrieben hatte. Die letzten dieser Bücher waren "Beren und Lúthien" (2017) und "Der Fall von Gondolin" (2018). (jdo, 17.1.2020)