Verteidigungsministerin Tanner will eine Teiltauglichkeit einführen. Dies wird nur bedingt zu mehr Rekruten führen.

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Verteidigungsministerin Klaudia Tanner will beim Bundesheer eine neue Teiltauglichkeit rasch umsetzen, also ein Prestigeprojekt der ÖVP-FPÖ-Koalition forcieren – und damit prioritär das ungefähr siebthinterste Problem des finanzmaroden Bundesheers lösen. Denn bei Katastrophen und anderwärtigen Gefahren für die Bevölkerung droht dem Militär bekanntlich längst mangelnde Einsatzfähigkeit, doch jetzt soll es zuallererst einmal eine Aktion scharf für junge Männer setzen.

Konkret will Türkis-Grün wie zuvor schon Türkis-Blau gemäß Regierungsprogramm zwei Tauglichkeitskategorien schaffen, und zwar "volltauglich" und "teiltauglich" – um mehr Burschen in die Pflicht zu nehmen. Allein: Schon bisher werden diese bei der Musterung derart auf Herz und Nieren geprüft, dass sie als Fazit ihrer Gesundenuntersuchung in eine von insgesamt neun Tauglichkeitsstufen eingeteilt werden. Das System bei der Stellung ist also jetzt schon – von der Fliegertauglichkeit bis eben zur Untauglichkeit – derart penibel austariert, dass damit auch unwillige Drückeberger ausgeforscht werden können. Und die Bessergestellten richten es sich – wie überall – wohl ohnehin mit Gefälligkeitsgutachten.

Ein Herumdoktern an den Tauglichkeitskriterien, und das weiß jeder Militärinsider, würde am Ende der Stellungsstraßen allenfalls einige hundert zusätzliche Präsenzdiener pro Jahr mehr herauspressen – das aber freilich unter beträchtlichem Mehraufwand.

Hintergrund der von der ÖVP betriebenen Reform ist, dass mittlerweile bereits dreißig Prozent der jungen Männer als nicht mehr tauglich gelten, wie Tanner in der "ZiB 2" vorgerechnet hat. Was die Ministerin aber nicht überbetonte: Mit diesem stetig steigenden Prozentsatz brechen nicht nur dem Bundesheer, sondern auch den Zivildienstorganisationen viele billige Hilfskräfte weg.

Denn immer mehr Stellungspflichtige der derzeit geburtenschwachen Jahrgänge können psychische Beeinträchtigungen für ihre Untauglichkeit geltend machen – etwa ein Drittel. Jeder fünfte untaugliche Mann kämpft wiederum mit körperlichen Beschwerden wie Wirbelsäulenproblemen oder Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems. Und fast jeder zehnte Abgelehnte leidet an Über- oder Untergewicht.

Offiziell geht es der Ministerin zwar darum, möglichst viele Wehrpflichtige für das Bundesheer zu produzieren – so könnten sich Teiltaugliche etwa in der militärischen IT starkmachen, lautet ein Argument. Doch Faktum ist und bleibt, dass sich mit einer Teiltauglichkeit vor allem die Blaulichtorganisationen Hoffnung auf mehr Personal machen. Zur Erinnerung: Im Herbst haben die schwarz regierten Länder Nieder- und Oberösterreich mit entsprechenden Resolutionen schon Druck auf den Expertenminister ausgeübt – und das, obwohl ein Gutteil der Untauglichen auch für diesen Aufgabenbereich nachweislich als nicht recht belastbar gilt.

Anstatt mit noch höherem Verwaltungsaufwand als bisher Halbtaugliche zu schaffen, sollte die ÖVP besser darüber nachgrübeln, wie man den Wehrdienst und all die Hilfsjobs in der Altenbetreuung, in den Asylheimen und bei den Rettungsdiensten besser dotiert. Dann würden sich auch mehr Junge freiwillig länger verpflichten. Immerhin hat die heutige Kanzlerpartei vor exakt sieben Jahren hoch und heilig eine Attraktivierung beider Dienste am Vaterland versprochen – nachdem sie die Volksbefragung zur Wehrpflicht mit knapp 60 Prozent für sich entschieden hatte. (Nina Weißensteiner, 17.1.2020)