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Gerundeter Klang, singender Steinway: Jewgenij Kissin durchmisst Beethoven.

Foto: Getty / Amy T. Zielinski

Bei der Nummer 13 der Eroica-Variationen blickten manche ungläubig, vielleicht auch irritiert, aufs Podium. Geballte Dissonanz und Schärfe, denn Jewgenij Kissin brachte Beethoven hier (wie an diesem ganzen Abend im Musikverein) radikal auf den Punkt.

Die kurzen Vorschläge vor den Akkordtönen, praktisch gleichzeitig angeschlagen und mit ins Pedal genommen, meißelte der Pianist zu schneidenden Dissonanzen. Nur ein Beispiel, wie treffend er bei Beethoven zu Werke geht. Da gibt es keine bequemen Kompromisse, sondern aufrüttelnde Schärfe: etwa bei den Sforzati im Kopfsatz der "Pathétique", dann ein kräftig singendes Adagio und ein atemloses Rondo-Finale am Beginn eines Best-of-Beethoven-Programms, das auch noch so Kleinigkeiten wie die "Sturm"- und "Waldstein-Sonate" beinhaltete.

Den Flügel singen lassen

Kissin verfügt über einen vollkommen gerundeten Klang, kann den Steinway singen lassen wie ein Orchester, ist jedoch jederzeit bereit, die Wohlfühlzone zu verlassen, verweist auf Abgründe, integriert sie ins Ganze, ohne sie zu beschönigen. Er lässt das Improvisatorische, das bei Beethoven immer auch eine wichtige Rolle spielt, erahnen, zugleich das kompositorisch Durchdachte.

Als Zugaben wählte der Pianist kleinere Stücke wie die Bagatelle op. 33/1 und zeigte sich auch hier übermütig und von überschießender Kraft. Standing Ovations, Blumensträuße, lange anhaltendes Staunen. (daen, 17.1.2020)