Paavo Järvi dirigierte im Wiener Konzerthaus.

Foto: Gaetan Bally

Ob er wohl aktuell einen eigenen Spind hat im Dirigentenzimmer? Innert drei Monaten ist Paavo Järvi mit seinen drei Orchestern aus Bremen, Zürich und Tokio im Konzerthaus zu Gast. Am Donnerstagabend war der Este mit den Schweizern da. Mit dem Tonhalle-Orchester Zürich ist Järvi erst relativ kurz liiert, man arbeitet zusammen an einem Tschaikowsky-Zyklus, in dem neue Deutungswege eingeschlagen werden sollen. Wie klingen die?

Interessant. Die fünfte Symphonie erlebte man in einem Spannungsfeld von straffer Energie und feinnerviger Eleganz. In der eidgenössisch-estnischen Darstellung ist Tschaikowsky ein Mann, der Crossfit macht und zum Ellmayer geht. Die Fortissimo-Passagen (etwa im Kopfsatz) waren von einer muskulösen Kompaktheit – Wampe gibt’s nicht bei Järvi. Die Valse wurde mit artistischer Grazie getanzt – toll, wie nuanciert der 58-Jährige hier das erste Thema modellierte und dann steigerte. Auch in der Körpersprache des Dirigenten spiegelten sich diese zwei Pole wider: Järvi agierte wie ein Offizier und Gentleman.

Anspruchsvolle Kost

Anspruchsvolle, ungewöhnliche Gastspielkost wurde im ersten Programmteil serviert: Béla Bartóks Tanzsuite in sechs Sätzen wurde fernab jeder Sprödigkeit mit vitaler Pracht, zauberhaften Farbzeichnungen und federnder Bewegungsfreude erfüllt.

Der Swing fehlte bei Aaron Coplands Klarinettenkonzert etwas. In Järvis Deutung vermisste man ein lässiges Bernstein-Momentum, Solist Martin Fröst setzte auf luftig-leichtes, zungenfertiges Virtuosentum. Jubel und Zugaben. (sten, 17.1.2020)