Im Gastkommentar umreißt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner die Oppositionspolitik der SPÖ.

Am 7. Jänner wurde die neue schwarz-grüne Regierung angelobt. Bereits vor Weihnachten stand fest, dass ÖVP und Grüne zusammenkommen werden, es lediglich eine Frage der Zeit sein wird, dass die beiden Parteien die Einigung öffentlich verkünden werden. Die vom ÖVP-Obmann gewünschte Mitte-rechts-Regierung hing bereits am Christbaum.

Für die SPÖ ist die Oppositionsrolle im Nationalrat ungewohnt.
Foto: Matthias Cremer

Das vorgelegte Regierungsprogramm zeigt, dass die Grünen der ÖVP in sehr vielen essenziellen Politikbereichen nachgegeben haben. Die schwarz-blaue Politik, insbesondere auch – und das ist besonders schmerzhaft – im Bereich der Sozialpolitik, wird fortgesetzt. Dieser Steigbügelhalter hätte die SPÖ für die ÖVP niemals sein können. Denn meine Überzeugung ist, dass eine Partei, die sich selbst rein auf eine bestimmte Rolle, sei es jene in der Regierung oder auch jene in der Opposition, reduziert, nicht erfolgreich sein kann. Zu den für die eigene Wählerklientel wichtigen Themen lediglich unverbindliche Überschriften oder Prosatexte zu erarbeiten ist ein mutloses, aber auch riskantes Vorhaben. Die Glaubwürdigkeit einer Partei nimmt dabei enormen Schaden.

Das bessere Argument

Der SPD-Politiker Franz Müntefering sprach 2004 auf einem Sonderparteitag, wo er zum SPD-Chef gewählt wurde, legendäre drei Worte aus: "Opposition ist Mist." 2017 nahm er den Satz zwar wieder zurück, aus dem Gedächtnis vieler politikinteressierter Menschen und aus dem Sprachgebrauch der Berliner und auch der Wiener Politikszene konnte er ihn dennoch nicht mehr verschwinden lassen. Auch ich habe dieser Aussage im vergangenen ORF-Sommergespräch zugestimmt. Ich wollte damit eines zum Ausdruck bringen: Die SPÖ will regieren! Als Politiker tritt man zu einer Wahl an, um danach in einer Regierung Verantwortung fürs Gestalten übernehmen zu können. Die Oppositionsrolle in höchsten Tönen zu preisen, halte ich für unehrlich. Aber: Die Oppositionsarbeit gehört weder in den Abfalleimer noch auf den Altar. Es kommt einfach darauf an, was man daraus macht. Opposition beinhaltet unbestritten eine wichtige demokratische Aufgabe, die es anzunehmen gilt. Die Nichtregierungsparteien im Nationalrat stehen – im Unterschied zu den Regierungsfraktionen – in kritischer Distanz zur Regierung und kontrollieren deren Handeln.

Als die SPÖ im Dezember 2017 die Regierungsbüros räumen musste, war mein Eindruck, dass sich viele in der Partei mit der neuen Rolle noch nicht so recht anfreunden konnten. Das war mit Sicherheit auch noch so, als ich im November 2018 den Parteivorsitz übernahm. Sich zu beklagen, dass das Interesse und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sich verändert haben oder dass die personellen Ressourcen im inhaltlichen und im kommunikativen Bereich zu Gunsten der Regierungsparteien verteilt sind, bringt nichts. Wollen wir in fünf Jahren wieder die Chance haben, Vertrauen dazuzugewinnen, müssen wir unsere Rolle annehmen, sie mit Leben erfüllen und jene Möglichkeiten nutzen, die zur Verfügung stehen. Und dabei auch versuchen, neue Wege zu gehen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir die notwendige politische Auseinandersetzung um das bessere Österreich mit voller Leidenschaft führen können. Ich bin überzeugt, dass letztendlich das Argument mehr zählt als Ressourcen, Geld und Inszenierung.

In der zweiten Oppositionsperiode hintereinander ist die SPÖ – und davon bin ich nach vielen Gesprächen innerhalb der Partei überzeugt – bereit. Vonseiten der SPÖ wird es eine harte, aber faire Oppositionspolitik geben. Das heißt: Wenn die Regierung etwas "Gscheites" vorlegt, dann werden wir es begrüßen und unterstützen. Wenn nicht, werden wir es hart in der Sache kritisieren.

Was heißt "Gscheites"? Wir werden auf dem Fundament unserer Grundsätze bewerten, ob die Regierungsmaßnahme das Leben der Menschen in Österreich besser macht oder nicht. Haben die Menschen in diesem Land mehr oder weniger Chancen? Wird der soziale Zusammenhalt gestärkt oder geschwächt? Und werden jene Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – keine Möglichkeit haben, Chancen zu ergreifen, weiter unterstützt? Das sind die maßgeblichen Fragen.

Kein reflexartiges Nein

Von einem reflexartigen Nein zu Regierungsvorhaben halte ich genauso wenig wie von einem automatisierten zustimmenden Kopfnicken. Der Gradmesser ist eine inhaltliche Bewertung. Ich sehe in diesem Zugang, der eigentlich selbstverständlich sein sollte, eine Parallele zur Wissenschaft: Es geht um Versuch und Irrtum. Stellt die SPÖ fest, dass die Regierung den falschen Weg einschlägt, werden wir das aufzeigen, eigene Vorschläge einbringen und den Regierungsfraktionen im Parlament die Möglichkeit geben, den Irrtum zu korrigieren.

Die Bewertung eines Gesetzesentwurfes nach dem Gradmesser der Verbesserung des Lebens kann man natürlich je nach politischer Einstellung – und das ist das Wesen der Demokratie – unterschiedlich sehen. Worauf sich aber alle Österreicherinnen und Österreicher verlassen können, ist, dass wir sehr genau darauf achten werden, ob unsere Verfassung eingehalten wird und all die damit einhergehenden persönlichen Freiheitsrechte geschützt bleiben. Wenn selbst die grüne Justizministerin eine verfassungswidrige Willkürhaft nicht ausschließt, dann zeigt es, dass Grundsätze über Bord geworfen werden und es an einem echten Korrektiv innerhalb der Exekutive fehlt. Demokratie bedeutet für mich auch die Möglichkeit der Verwirklichung des Individuums in einer freien Gesellschaft. Daran darf nicht einmal ansatzweise gekratzt werden. Die erfolgreichen Verfassungsklagen der SPÖ zu den von schwarz-blau beschlossenen Bundestrojanern sowie der Sozialhilfe neu haben bereits gezeigt, wie entschlossen wir in diesen Fragen vorgehen.

Mit dem Leitmotiv einer konsequenten, harten, aber fairen Oppositionspolitik wird die Sozialdemokratie die Arbeit der Bundesregierung messen. Meine Hand für einen ehrlichen und echten Dialog, dessen Stärkung absolut notwendig erscheint, ist ausgestreckt. Wird sie von der Regierung zurückgewiesen, wäre das nicht nur enttäuschend, sondern eine Fortsetzung der schwarz-blauen und für Österreich schädlichen konfrontativen Denkweise. (Pamela Rendi-Wagner, 18.1.2020)