Kojoten haben es gelernt, mit der Allgegenwart von Menschen zurechtzukommen, und bauen ihren Lebensraum immer weiter aus.
Foto: APA/AFP/JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGE

Noch zu Zeiten der Ankunft der ersten Europäer in Nordamerika war der Kojote (Canis latrans) weitgehend auf die Ebenen in der westlichen Hälfte des Kontinents beschränkt. Seitdem ist sein Verbreitungsgebiet gewaltig expandiert – nicht zuletzt deshalb, weil er Regionen übernehmen konnte, die zuvor von seinem größeren Cousin, dem Wolf, besiedelt waren. Gegen Wölfe gingen die Siedler strikt vor – Kojoten wurden als weniger bedrohlich wahrgenommen und sind damit der Ausrottung entgangen.

Akteur 1

Begünstigt wird die Ausbreitung des Kojoten auch dadurch, dass die 7 bis 20 Kilogramm schweren Opportunisten nicht auf Großwild als Nahrungsquelle angewiesen sind. Sie fressen Aas, erbeuten Tiere von Maus- bis Hirschgröße und reichern ihren Speisezettel auch mit pflanzlicher Kost an. Kurz: Sie finden überall ausreichend Nahrung, auch – was ihnen besonders zugute kommt – in menschlichen Siedlungsgebieten. Immer öfter tauchen Kojoten in Stadtgebieten auf, vor zwei Wochen erst wurden einige Menschen in einem Park in Chicago von Kojoten attackiert.

Während der Zug der Kojoten in die Städte regelmäßig für Schlagzeilen sorgt, hat der Umstand weit weniger Beachtung gefunden, dass die Tiere auch konsequent nach Süden expandieren. Anfang der 1980er Jahre wurden die ersten Exemplare in Panama gesichtet. Seitdem haben sich die Kojoten durch das ganze Land gearbeitet und stehen nun heulend vor den Toren Südamerikas.

Akteur 2

Und dort wartet schon ein Tier auf sie, das gewissermaßen ihr Gegenstück ist. Der Maikong (Cerdocyon thous) gehört einer anderen Gattung von Wildhunden an als Kojoten, weist aber einige Parallelen zu ihnen auf. Er wird auch Krabbenfuchs genannt: Nicht etwa, weil er auf den Krebsfang spezialisiert wäre, sondern weil er sogar Krebse frisst – sein Speisezettel ist genauso universal wie der des Kojoten. Mit fünf bis sieben Kilogramm ist er allerdings noch ein Stück leichter gebaut.

Maikongs sind zumeist paarweise unterwegs, auf der Jagd können sich aber auch einige Paare zusammenschließen.
Foto: Ricardo Moreno

Wie Kojoten sind Maikongs vorwiegend nachtaktiv und konnten sich so in aller Heimlichkeit weiter ausbreiten. Sie besiedeln mittlerweile weite Teile des östlichen Südamerika. Nur die dichten Regenwälder scheinen ihnen nicht zu behagen. Da die aber immer weiter abgeholzt werden und Kulturflächen weichen, tun sich für den Maikong neue Möglichkeiten auf. Und er nutzt sie: Sein Lebensraum hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sukzessive nach Norden ausgedehnt und reicht inzwischen bis an den Anfang des Isthmus von Panama.

Die Grenzlinie

Nur eine schmale Linie trennt die beiden Wildhundarten noch, und die ist auch dem Menschen als Grenze wohlbekannt: Das Schnellstraßennetz der Panamericana reicht beinahe über den gesamten amerikanischen Doppelkontinent, von Alaska bis Feuerland. In der panamaischen Provinz Darién muss allerdings auf andere Verkehrsmittel ausgewichen werden, dort ist die "Traumstraße der Welt" auf 90 Kilometer Länge unterbrochen.

Die Urwälder des dortigen Nationalparks Darién sind es auch, die Kojote und Maikong vorerst noch voneinander trennen. Laut Forschern des Smithsonian Tropical Research Institute sind es aber weniger die Wälder an sich, die abschreckend wirken. Es sind die dort lebenden Jaguare. Dem größten Raubtier Südamerikas gehen die zierlichen Wildhunde lieber aus dem Weg.

Der heimliche Akteur 3

Argwöhnisch hat das Forscherteam um Roland Kays und Ricardo Moreno die Ausbreitung des Kojoten innerhalb Panamas mitverfolgt. Daten lieferten ihnen dokumentierte Begegnungen von Menschen und Kojoten, die Kadaver von Tieren, die von Autos überfahren worden waren, vor allem aber die Auswertung einer großen Zahl von Kamerafallen, die sie in der Region aufgestellt hatten, in Wäldern ebenso wie auf Kulturflächen.

Die Kamerfalle zeigt: Ein Kojote drückt sich am Rand des Nationalparks Darién herum – weiter traut er sich vorerst noch nicht.
Foto: Fundacion Yaguara Panama

Und die Bilder belegten nicht nur die Anwesenheit von Kojoten an der unmittelbaren Grenze Südamerikas. Sie lieferten auch klare Hinweise darauf, dass die Kojoten eine dritte Hundeart gewissermaßen im Gepäck mitgenommen haben. Viele der fotografierten Tiere zeigten nämlich Merkmale wie kurze Schwänze, unterschiedliche Fellfarben oder "hundeartige" Schnauzen. Die Forscher sehen darin klare Anzeichen für Hybridisierung mit Haushunden.

Relevant kann dies dann werden, wenn die Kojoten von den eingekreuzten Hunden Gene übernommen haben, die ihnen die Verdauung von Früchten erleichtern. Damit ist der Tisch in Südamerika nämlich reichlich gedeckt, und der ehemalige Nordwestamerikaner könnte sich im Süden noch besser ausbreiten. Wie sich eine Doppelpräsenz von Wildhundearten auf die betroffenen Ökosysteme auswirken würde, ist ungewiss.

Echo eines Großereignisses

Die Smithsonian-Forscher plädieren daher dafür, den Jaguar als Grenzwächter noch konsequenter zu schützen als bisher, um einen "Not-So-Great American Biotic Interchange" zu verhindern. Es ist eine Anspielung auf den Großen Amerikanischen Faunenaustausch, der vor 2,7 Millionen Jahren begann, als sich die Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika endgültig schloss. Zahlreiche Tiergruppen strömten damals von einem Kontinent auf den anderen, hauptsächlich allerdings von Nord nach Süd. Auch die Ahnen des Maikongs waren mit dabei. Später riss die Verbindung zwischen den Populationen ab und es entwickelten sich auf beiden Kontinenten jeweils eigene Hundearten.

Der damalige Faunenaustausch war die letzte große zoologische Rochade, die auf rein natürliche Weise zustande kam. Seitdem war stets der Mensch an Veränderungen mitbeteiligt – in Form von Rodungen ist das auch beim bevorstehenden Aufeinandertreffen von Kojote und Maikong der Fall. Doch sollte man die Eigenleistung der Tiere auch nicht kleinreden: Immerhin haben die Wildhunde vom Menschen auch so einiges zu befürchten, seien es Jäger, Bauern, die ihr Nutzvieh schützen wollen, oder Autos. Dass die beiden Wildhundearten es gelernt haben, mit all dem zurechtzukommen und sogar noch zu expandieren, ist eine beachtliche Leistung. (jdo, 24. 1. 2020)