Susanne Wiesinger wurde nach 25 Jahren Lehrtätigkeit in Wien-Favoriten von Bildungsminister Heinz Faßmann im Februar 2019 zur Leiterin der Ombudsstelle für Werte- und Kulturfragen berufen.

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Susanne Wiesinger ist keine Lehrerin, die ihre Zuhörer nur im Klassenzimmer sucht. Vor eineinhalb Jahren hatte die Pädagogin für Aufsehen gesorgt, als sie den unheilvollen Einfluss islamistischer Ideologie an Schulen anprangerte. Nun hat Wiesinger das Bildungsministerium samt Ressortchef Heinz Faßmann in Aufruhr versetzt.

Die Vorgeschichte: Ein halbes Jahr nachdem ihr Buch über den "Kulturkampf im Klassenzimmer" erschienen war, holte Faßmann Wiesinger von ihrer Neuen Mittelschule in Wien-Favoriten als Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte ins Ministerium. Doch bevor das Engagement im Februar auslief, hat der von der ÖVP nominierte Politiker die streitbare Frau wieder ihres Postens enthoben.

In der "ZiB 2" verteidigte sich Wiesinger gegen die Vorwürfe.
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Auslöser ist ein neues Buch, das Wiesinger gemeinsam mit Co-Autor Jan Thies am Montag in der Edition QVV des Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz veröffentlicht. Unter dem Titel "Machtkampf im Ministerium. Wie Parteipolitik unsere Schulen zerstört" berichtet sie wenig Schmeichelhaftes über das Bildungsressort. Es sei, als gebe es zwei Welten: "Das Bildungsministerium erscheint von den Problemen an den Schulen entkoppelt", schreibt sie, "alle sind in diesem Apparat aus Ideologie, Machtstreben und Parteipolitik gefangen."

Dem Kabinett Kontrollwahn nachgesagt

Besonders hart geht sie mit dem Ministerkabinett ins Gericht, das mit Markus Benesch ein ehemaliger Mitarbeiter von Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz anführt: Sobald sie von der vorgegebenen ideologischen Linie – etwa bei der Debatte über die Deutschförderklassen – abgewichen sei, habe es Widerstand gegeben. "Hartnäckig und hemmungslos" habe das Kabinett "mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln" versucht, schreibt Wiesinger, ihre Freiheit in der Tätigkeit als Ombudsfrau zu untergraben.

Die Version aus dem Büro Faßmanns hört sich naturgemäß anders an. Tatsächlich habe Wiesinger schon bald nach ihrem Antritt im Februar 2019 wissen lassen, dass sie mit dem Kabinett nicht zusammenarbeiten wolle. Man habe ihr deshalb als Ersatz Heidi Glück zur Seite gestellt, die Ex-Sprecherin von Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Kommunikationsexpertin mit Erfahrung im Bildungsministerium.

Ex-Schüssel-Sprecherin Heidi Glück wirft Wiesinger vor, das "Vertrauen aller missbraucht" zu haben,

Wiesinger habe nach mehreren Gesprächen keine Einwände gegen sie gehabt, heißt es von Faßmanns Seite, Glück sei allein als Unterstützung gedacht gewesen. Die Ex-Ombudsfrau schreibt hingegen, dass die "Beratung" aus dem Ministerium der Kontrolle gedient habe.

Rauskala dementiert Einflussnahme

Vier Monate nach der Bestellung Wiesingers war Faßmann aus dem Spiel. Der Sturz der türkis-blauen Regierung bescherte dem Ressort eine neue, parteifreie Hausherrin. Übergangsministerin Iris Rauskala gibt laut Aussendung des Ministeriums zur Causa zu Protokoll: Es habe in diesen acht Monaten ein Gespräch mit Wiesinger, aber "keine einzige Einflussnahme" auf ihre Tätigkeit gegeben – und auch keine diesbezügliche Beschwerde Wiesingers.

Den Vorwurf der Einflussnahme weist natürlich auch Faßmann zurück, der sich hintergangen fühlt: Es sei ein Vertrauensbruch, wenn eine Ombudsfrau in einem Buch Mitarbeiter des Ministeriums diskreditiere, noch ehe sie den offiziellen Endbericht über ihre Tätigkeit abgeliefert habe.

Wiesinger, einst Personalvertreterin im Dienste der sozialdemokratischen GewerkschafterInnen, ist nun vom Dienst freigestellt, sie soll als Beamtin von der Bildungsdirektion Wien übernommen werden. Fürsprecher findet sie in der Opposition: SPÖ und Neos sehen in Wiesinger ein Opfer der "Message-Control des Systems Kurz", die Freiheitlichen einen Versuch, "kritische Stimmen mundtot zu machen". (Gerald John, 19.1.2020)