Tourengeher erkunden die Berge abseits überfüllter Skipisten. Doch gerade nächtliche Wanderungen verursachen Schäden und bergen Gefahren für die Sportler.

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Skitourengehen ist zum Breitensport geworden. Aktuelle Schätzungen gehen in Österreich von rund 700.000 aktiven Tourengehern aus. Immer mehr Menschen wollen die winterliche Bergwelt abseits überfüllter Pisten erleben. Die zunehmende Beliebtheit bringt aber auch Probleme mit sich. Einerseits für Flora und Fauna, aber auch in den Skigebieten wächst der Unmut unter den Seilbahnbetreibern. In Tirol versucht man die Masse an Sportlern durch sanfte Lenkungsmaßnahmen dorthin zu bringen, wo das Konfliktpotenzial am geringsten ist.

Pistengehen boomt

Neben Touren im freien Gelände, boomt das "Pistengehen". Gerade im Großraum Innsbruck steigen an Abenden und Wochenenden hunderte Wintersportler entlang präparierter Pisten auf. Oft zum Ärger der Seilbahnbetreiber, die die Nachtstunden zum Präparieren der Pisten nutzen. Neben den Schäden, die nächtliche Abfahrer verursachen, sind es vor allem die Gefahren für die Pistengeher, die zum Problem werden. Denn die Drahtseile, an denen die Pistengeräte hängen, wenn sie in steilen Hängen arbeiten, können für abfahrende Skisportler im Dunkeln zur Todesfalle werden.

Zuletzt eskalierte der Konflikt in Oberperfuss, wo ein Pistengeher einen Ratrak-Fahrer tätlich angegriffen hat, der ihn vor eben dieser Gefahr warnen wollte. Das Video von dem Vorfall wurde über Social-Media-Kanäle verbreitet und fachte die Diskussion um das Pistengehen erneut an. Der Vorfall selbst beschäftigt sogar die Staatsanwaltschaft, die wegen des Übergriffes ermittelt. Ein Nachtpistenplan für Tourengeher soll derlei Konfrontationen vermeiden. Skigebiete im Raum Innsbruck öffnen turnusmäßig Pisten an Abenden.

Doch auch im freien Gelände sorgt der Ansturm an Tourengehern für Probleme, wie Dieter Stöhr von der Forstabteilung des Landes weiß: "Konflikte gibt es vor allem mit der Jagd, weil das Wild im Winter auf Störungen besonders sensibel reagiert."

Modell für Miteinander

Ähnlich wie beim Mountainbiken, wo das Tiroler Forstamt vor über 20 Jahren ein Konzept für ein friktionsfreies Miteinander aller Naturnutzer entwickelt hat, wurde nun auch für Tourengeher ein eigenes Lenkungsmodell erarbeitet. Doch: "Anders als beim Mountainbiken ist Tourengehen für den Tourismus kein A-Thema. Aber gerade für Einheimische ist es wichtig, diesen Sport ausüben zu können", sagt Stöhr. Vorerst konzentriert man sich auf fünf der beliebtesten Skitourenregionen Tirols. Für die Sportler wird die nötige Infrastruktur etwa in Form von ausreichenden und geräumten Parkplätzen oder Skitourenschneisen für den Aufstieg bereitgestellt. Umgekehrt wurden vier Schutzgüter definiert, auf die es Rücksicht zu nehmen gilt: Schutzwald, Steinbock und Gams, Rotwild sowie Birk- und Auerhuhn.

Mit kurzen Videoclips wie diesem sollen Tourengeher für die Schutzgüter sensibilisiert werden.
Dieter Stoehr

In enger Kooperation mit der Jägerschaft, Bergführern, Gemeinden und Tourismusverbänden werden Bereiche im Skitourengebiet definiert, die aus Rücksicht auf diese Schutzgüter möglichst unberührt bleiben sollen. Ausgeschilderte Routen zum Aufstieg wie auch zur Abfahrt lenken die Sportler. Zur Überprüfung und Verbesserung der Lenkungsmaßnahmen werden Skispuren analysiert. Etwa im Raum Kitzbühel, wo mittels Fotos vom Gegenhang aus untersucht wird, wo die meisten Tourengeher abfahren. Das Ergebnis der Analyse: 52 Prozent der Schutzgebiete werden überhaupt nicht mehr befahren. Um diesen Wert zu verbessern, adaptiert man die Lenkungsmaßnahmen auf Basis dieser Beobachtungen.

Reden statt Strafen

Dass miteinander reden statt strafen wirkt, zeigte sich jüngst in Kitzbühel, wie Stöhr sagt: Dort hat der Förster einen Tourengeher beobachtet, der durch ein Schutzgebiet abgefahren ist. Daraufhin hat er beim Leiter der örtlichen Berg- und Skiführer angerufen, der wiederum seine Leute darauf hingewiesen hat, welche Bereiche zu meiden sind. "Mit Erfolg, seither fuhr keiner mehr dort ab." (Steffen Arora, 20.1.2020)