Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler am Wiener Hauptbahnhof.

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Die ÖBB hat ihr Nachtzuggeschäft erweitert: Um 20.38 Uhr ist am Sonntagabend der erste Nightjet von Wien nach Brüssel vom Wiener Hauptbahnhof abgefahren. Am Montagvormittag, nach knapp 14 Stunden Fahrt, traf der Zug um 10.45 Uhr pünktlich in Brüssel-Nord ein.

Mit dem ÖBB-Nightjet kann man künftig zweimal wöchentlich in die belgische Hauptstadt fahren. Das günstigste Sparschiene-Ticket kostet 59,90 Euro, wer allein im Single-Deluxe-Abteil mit Dusche, WC und Frühstück reisen will, muss 249 Euro zahlen.

Laut Greenpeace verursacht ein Flugpassagier auf der rund 1.000 Kilometer langen Strecke von Wien nach Brüssel 410 Kilogramm CO2-Emissionen, ein Fahrgast des Nightjets hingegen nur 40 Kilogramm. Abgeordnete, Lobbyisten, Geschäftsreisende und Touristen sollen deshalb künftig mit dem Nachtzug zum EU-Hauptsitz fahren – das ist zumindest die Hoffnung von Umweltschutzorganisationen und der ÖBB.

Von Greenpeace wurde anlässlich der Premierenfahrt eine "Nachtzug-Challenge" für die 18 österreichischen EU-Abgeordneten ausgerufen. Die SPÖ war auf der Zugfahrt unter anderem mit Delegationsleiter Andreas Schieder vertreten. Von der FPÖ hatte sich Roman Haider in den Zug gesetzt. Von der ÖVP war etwa Parlamentsvizepräsident Othmar Karas an Bord, von den Grünen Delegationsleiterin Monika Vana. Auch die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler war bei der Abfahrt dabei.

Martin Selmayr, der Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich, lobte die Initiative: "Im Zuge des Green Deal, den die Europäische Kommission im Dezember vorgestellt hat, soll Europa bis 2050 klimaneutral werden. Um das zu bewerkstelligen, müssen wir die verkehrsbedingten Emissionen um 90 Prozent senken. Dafür brauchen wir dringend Initiativen wie diese."

Das Fazit fiel aber nicht ganz kritiklos aus. "Um Dienstreisenden die nötige Flexibilität zu bieten, wäre es allerdings vorteilhaft, den Fahrplan noch deutlich auszuweiten und die Zugtaktung zu erhöhen", sagte Selmayr. Es sei zwar klimafreundlich, aber man müsse Zeit haben.

Auch von den Abgeordneten gab es nach der Ankunft Lob (für den Reisekomfort) und Verbesserungsvorschläge. Barbara Thaler von der ÖVP wünscht sich mehr Kompatibilität der nationalen Eisenbahnsysteme. "Wir haben in Aachen eine Verzögerung von 30 Minuten gehabt, weil wir die Lok wechseln mussten", sagte Thaler. Der Grund sei gewesen, dass die genutzte Lok in Belgien nicht zugelassen sei, erklärte die stellvertretende Verkehrssprecherin der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament und sprach sich für eine Vereinheitlichung des Schienennetzes in Europa und der national geltenden Vorschriften aus. "Da kann man die Bahn noch schneller und wettbewerbsfähiger machen."

SPÖ-EU-Delegationsleiter Schieder sieht es als dringend notwendig an, dass die Streckenkapazitäten so freigegeben werden, dass man vor allem im belgischen Teil schneller fahren könne. "Dann wäre es auch möglich, zwei Stunden früher in Brüssel anzukommen", sagte Schieder. Die grüne EU-Delegationsleiterin Vana wünscht sich neben einer früheren Ankunft auch eine höhere Frequenz. "Aus Sicht einer Europaabgeordneten würde ich es sehr begrüßen, wenn der Nachtzug täglich fahren würde und in Brüssel am Morgen mindest eine Stunde früher ankäme", so Vana.

Die ÖBB hat vor drei Jahren das Nachtzuggeschäft der Deutschen Bahn übernommen und bietet Verbindungen etwa nach Berlin, Hamburg, Zürich und Rom an. Bis 2026 gibt es einen Stufenplan zum Ausbau der Nightjets. (red, APA, 20.1.2020)