Die Regierung will, dass das Arbeitsmarktservice strenger ist im Umgang mit Arbeitslosen.

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Wien – Kaum kommen die neuen Minister in die Gänge, mehren sich die Vorschläge für Verschärfungen bei der Arbeitslosenunterstützung. Nach Industriepräsident Georg Kapsch legte am Montag Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach. Er sprach sich für einen "noch strengeren Vollzug" beim Arbeitslosengeld aus, denn es gebe viel Missbrauch. "Arbeitslosengeld und Sozialleistungen sind für alle da, die Unterstützung brauchen, für alle, die arbeitslos sind, weil sie keine Arbeit finden. Aber sie sind sicherlich nicht da für Menschen, die nicht arbeiten wollen", sagte Kurz und lobte konsequenten Vollzug durch das Arbeitsmarktservice (AMS).

Die Zahl der Sperren von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe ist 2019 erneut gestiegen, allerdings nicht allein aufgrund von Fehlverhalten oder Unwilligkeit der Bezugsberechtigten. Jeder Fünfte muss nämlich vier Wochen warten bis zur Auszahlung von Arbeitslosengeld. Diese "Sperre", genau genommen ist es eine Wartefrist, gibt es dann, wenn der Dienstnehmer selbst gekündigt hat. Davon waren im Vorjahr insgesamt 32.622 Personen betroffen, um 266 oder 0,82 Prozent mehr als 2018. Auch diese Wartezeit ist in der Zahl der verhängten Sperren inkludiert.

Insgesamt verhängte das AMS 145.671-mal Sanktionen, 12.251 oder neun Prozent mehr als 2018. Während die Sperren wegen Versäumens des Kontrolltermins zurückgingen, stieg die Zahl der Sanktionen wegen Verweigerung oder Vereitelung einer Arbeitsaufnahme oder einer Schulungsmaßnahme um rund ein Drittel.

Fast 60.000 Missbrauchsfälle

Als Missbrauchsfälle sanktioniert wurden laut AMS rund 42 Prozent der Fälle. Diese stiegen im Jahr 2019 um rund ein Drittel auf 59.999, das ist ein Plus von 15.266 oder 34 Prozent.

Wer zu einem Beratungstermin im Arbeitsamt nicht erscheint, dem wird die Arbeitslosenunterstützung gestrichen, bis er wiederkommt.
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Bei Sperren nach Paragraf 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz (ALVG) wegen Verweigerung oder Vereitelung einer Arbeitsaufnahme oder Schulungsmaßnahme wird das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe für sechs Wochen, im Wiederholungsfall für acht Wochen gesperrt.

Kein Geld bei Arbeitsunwilligkeit

Bei gänzlicher Arbeitsunwilligkeit (nach Paragraf 9 ALVG) kann das Arbeitslosengeld ganz gestrichen werden. Das kam 2019 in 797 Fällen vor (plus 276 oder 52,98 Prozent).

"Der Anstieg der Paragraf-10er-Sperren geht darauf zurück, dass es durch den hohen Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft und auch durch unsere verstärkten Bemühungen um überregionale Vermittlung deutlich mehr Stellenvorschläge und auch Rückmeldungen der Unternehmen gab, die Ausgangspunkt der Sanktionen wegen Missbrauchs von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe waren", erläutert AMS-Vorstand Johannes Kopf. Bei der dritten Sperre wegen Nichtannahme einer zumutbaren Beschäftigung können die Leistungen vollkommen eingestellt werden.

Rund 36 Prozent der Sanktionen hatten das Versäumen eines Kontrolltermins (Paragraf 49 ALVG) als Ursache. Bleiben Jobsuchende dem vereinbarten AMS-Termin unentschuldigt fern, kann das Arbeitslosengeld bis zur neuerlichen Kontaktaufnahme vorübergehend gestrichen werden. Im Vorjahr war dies um sechs Prozent weniger häufig der Fall, nämlich 52.253-mal.

Im Westen offene Stellen, in Wien Arbeitslose

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) verwies – wie IV-Präsident Kapsch – darauf, dass es in Westösterreich viele offene Stellen gebe, während es in Wien eine Arbeitslosigkeit gebe, "die aus meiner Sicht inakzeptabel ist" – nämlich nicht nur im Vergleich mit dem ländlichen Raum, sondern auch im Vergleich mit Städten wie München, Berlin, London oder Hamburg. "Wie kann es sein, dass in Berlin, das wirklich finanziell nicht sehr gut dasteht, die Arbeitslosigkeit nur halb so hoch ist wie in Wien?" Man müsse daher Anreize schaffen, damit Menschen Jobs in Westösterreich annehmen.

Es gehe darum, "Menschen, die in Ostösterreich arbeitslos sind, gerade wenn sie hier nicht verwurzelt sind, wie Asylberechtigte zum Beispiel, die erst kurz da sind", in Westösterreich zu beschäftigen, schlug Kurz vor.

Kritik der Gewerkschaft

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch kritisiert Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP). "Auf der einen Seite steckt die Regierung Millionen in den Umbau ihrer Regierungsämter, also ins vielzitierte System", echauffierte sich der Bau-Gewerkschaftschef via Aussendung. "Auf der anderen Seite ist das Erste, was der neuen Arbeitsministerin einfällt, den 400.000 Arbeitssuchenden das Arbeitslosengeld zu kürzen und vielleicht als nächsten Schritt die Notstandshilfe zu streichen." Die Tatsache, dass im Vorjahr vom AMS mehr Sanktionen verhängt wurden, zeige vor allem, dass die Regeln streng seien und streng ausgelegt würden.

Laut AMS waren im Vorjahr fast 900.000 Personen mindestens einen Tag arbeitslos. Ihre Zahl sank gegenüber 2018 um 2,1 Prozent auf 898.626 Personen. (APA, red, 20.1.2020)