Christoph Kircher ist ein bisschen ratlos. Dabei hat sich der Maturant eigentlich schon früh einen Plan zurechtgelegt: Nach Abschluss der HTL im Sommer wollte er ursprünglich auf die griechische Insel Chios ziehen. Dort hätte er ein knappes Jahr lang in einem Projekt mitarbeiten sollen, das die Stärkung der lokalen Gemeinschaft zum Ziel hat.
Das wollte der 19-Jährige im Rahmen seines Zivildienstes tun. Oder besser gesagt: Seine Tätigkeit als Freiwilliger dort wollte er sich als Zivilersatzdienst in Österreich anrechnen lassen. Daraus wird jetzt aber vermutlich nichts. Denn das, was Kircher geplant, und Freunde von ihm vor kurzem noch umgesetzt haben, ist wegen einer ausständigen Gesetzesnovellierung nicht mehr möglich.
Bis Herbst 2018 konnte man sich als Zivildiener im Rahmen eines Europäischen Freiwilligendienstes im Ausland betätigen und bekam den Dienst als Zivilersatzdienst angerechnet, sofern er mindestens zehn Monate lang dauerte. Hintergrund ist, dass die Projekte seit kurzem auf europäischer Ebene unter einem anderen Namen – Europäischer Solidaritätskorps (ESK) – laufen, im österreichischen Gesetz aber noch vom Europäischen Freiwilligendienst die Rede ist.
Ministerium prüfte
Bereits vergangenen Dezember wiesen Betroffene das damals noch zuständige Innenministerium auf die Problemlage per offenen Brief hin. Dieses betonte, die Sachlage zu prüfen. Nun teilte die dem nunmehr dem Nachhaltigkeitsministerium unterstehende Zivildienstagentur (Zisa) auf STANDARD-Anfrage mit, dass die Anerkennung des ESK als Zivildienstersatz "kritisch zu sehen" sei. Denn die Einsatzmöglichkeiten böten "bei weitem nicht jene Intensität und gesellschaftliche Leistung für die Kandidaten (...), wie dies bei Zivil- oder Wehrdienst der Fall ist".
Das stimme nicht, sagen Betroffene und die Bundesjugendvertretung (BJV). Letztere macht sich seit längerem für eine Gesetzesreparatur stark. Unverständlich bleibe, weshalb die Einsätze unter dem Banner des Europäischen Freiwilligendienstes angerechnet wurden, während es ESK-Einsätze nicht werden – obwohl es sich exakt um dieselben Projektstellen handle, alle EFD-Einsatzstellen sogar automatisch als ESK-Einsatzstellen akkreditiert wurden.
Auch Kircher entgegnet, dass es sich bei der Stelle, für die er sich beworben und bereits genommen wurde, "eins zu eins" um dieselbe Stelle handle, die ein Freund kürzlich noch als Zivildienstersatz angerechnet bekommen habe. Er könne "bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen", dass es Kritik daran gibt, wenn der Zivildienst nicht in Österreich abgeleistet wird. "Aber wollen wir nicht den europäischen Gedanken leben?", fragt der 19-Jährige. Auf Chios gehe es vor allem auch deshalb darum, die lokale Gemeinschaft zu stärken, weil die kleine Insel eine hohe Anzahl an Flüchtlingen versorgt. Außerdem, betont Kircher, kommen auch Freiwillige aus dem EU-Ausland nach Österreich.
Frage des Geldes
Die Zisa bringt noch ein weiteres Argument vor: Die "Besser stellung" der ESK-Absolventen würde in Verbindung mit dem Umstand geburtenschwacher Jahrgänge den Rückgang bei Wehr- und Zivildienstleistenden noch verstärken, was "nicht im Sinne der österreichischen Bevölkerung wäre". Im Jahr 2018 waren etwa 60 wehrpflichtige Männer im Rahmen eines solchen Auslandseinsatzes unterwegs. Die BJV spricht von einer "überschaubaren Menge."
Die BJV weist noch auf eine weitere Problematik hin: Möglichkeiten des Auslandszivildienstes abseits des europäischen Freiwilligendienstes sind meist mit hohen Selbstbehalten verbunden. Auch Kircher hat sich deshalb für diese Variante entschieden.
Der Sache angenommen haben sich nun auch die Neos. Deren Jugendsprecher Yannick Shetty bezeichnet die aktuelle Situation als "unverständlich". Ein entsprechender Antrag zur Gesetzesanpassung wurde dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Beratung zugewiesen.
Kircher hofft indes auf eine rasche politische Lösung oder eine definitive Absage. Damit er sich im Falle des Falles noch eine Stelle in Österreich suchen kann. (Vanessa Gaigg, 27.1.2020)