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Ein Feuerwehranzug hängt über einem Zaun in der australischen Stadt Cobargo in New South Wales. Daneben steht ein Dank an all jene, die die Brände bekämpfen.

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Johann Goldammer erforscht seit Jahrzehnten Brände.

Foto: Philipp von Ditfurth

Johann Georg Goldammer ist dieser Tage ein gefragter Mann. Der renommierte Feuerökologe muss seine Meinung über die Brände in Australien kundtun, immer und immer wieder. Auch wenn Stürme heftigen Niederschlag und Hagel in Teile Australiens gebracht haben und weitere Unwetter vorausgesagt werden, brennen noch immer mehr als 80 Feuer in New South Wales und Victoria.

STANDARD: Seit vergangenem Jahr gibt es viel Wirbel um Brände, etwa in Brasilien, Bolivien, Sibirien und Indonesien, nun Australien. Ist das Zeitalter des Feuers angebrochen, das Pyrozän? Diesen Begriff haben Sie ja selbst erschaffen.

Johann Georg Goldammer: Dieser Medienhype entstand plötzlich und für die Fachwelt überraschend. Das brachte viele Dinge an die Öffentlichkeit, die vielen neu erschien. Das war sehr stark durch soziale Medien beeinflusst, und das hat sich in Australien fortgesetzt. Wenn Medien oder die Zivilgesellschaft ein Thema neu entdecken, ist die Aufregung zunächst groß – und verständlich. Da wird dann schnell von einer nie da gewesenen Katastrophe gesprochen.

STANDARD: Wodurch ist dieser Hype entstanden?

Goldammer: Einerseits durch die Tatsache, die sich in der Welt mehr und mehr durchsetzt, dass wir hier wirklich ein großes Problem haben. Das fällt zusammen mit einer Zeit, in der soziale Medien alles weitertragen. Betroffene posten Bilder und Videos, die Medien nehmen das auf. Und nun entdecken viele die Satellitenkarten mit den roten Punkten, die Brände darstellen. Die gibt es schon seit 20 Jahren, haben aber davor noch niemanden interessiert, auch nicht Regierungen.

STANDARD: Spielt sich jetzt in Australien eine Katastrophe ab, wie es sie noch nie gegeben hat?

Goldammer: Fakt ist: Dort hat der Klimawandel die Wetterextreme verstärkt. Australien ist schon immer ein heißer Kontinent gewesen, das Feuer ist dort zu Hause. Nun haben dort die Trockenzeiten früher begonnen, es ist extrem trocken und extrem heiß. Das muss nicht immer zusammenfallen. Allein diese Bedingungen, die Grundvoraussetzung für große Brände, sind anders als früher. Man kann also zu Recht sagen, dass sich etwas geändert hat: Das Risiko für große Feuer ist höher.

STANDARD: Haben sich die Regionen bzw. hat sich die Größe der Feuer geändert?

Goldammer: Die Regionen sind dieselben. Frühere Feuer waren lange Zeit ähnlich groß, aber nun haben sich die Brände in den letzten zwei, drei Wochen noch einmal massiv ausgeweitet. Und was von den Medien oft unterschlagen wird: Die meisten Brände wurden mit Absicht herbeigeführt. Das kommt dann immer so rüber, als würden die Feuer durch Trockenheit entstehen, was ja nicht möglich ist. Laut einem Bericht der australischen Behörden wurden diesbezüglich seit November weit über 100 Verdachtsfälle untersucht. Bei knapp 30 Fällen hat sich der Verdacht erhärtet.

STANDARD: Theoretisch wäre das Problem also gelöst, wenn man die Brandstiftung eindämmen könnte?

Goldammer: Da ist der Wunsch Vater des Gedankens. Grundsätzlich gibt es in Australien eine hohe Sensibilität hinsichtlich der Feuergefahr. Aber bei den rund 25 Millionen Einwohnern braucht nur eine Handvoll dabei zu sein, die aus verschiedenen Gründen, teilweise auch psychischen, die Feuer legen. Es ist oft die Macht, die vom Feuer ausgeht, die einen dazu animiert. Wenn man ein kleines brennendes Streichholz in den australischen Busch wirft und merkt, dass dann ein ganzes Land kollabiert, fasziniert das manche.

STANDARD: Was kann man in Zukunft sonst machen?

Goldammer: In Australien lebt der Mensch, und es lebt dort das Feuer. Beides verträgt sich nur in einem gewissen Maß. Die Australier müssen lernen, mit dem Feuer zu leben. Das tun sie schon, aber sie müssen weitergehen und sich überlegen: Wie gestalte ich die Landschaft, dass sie gegen Feuer nicht so anfällig ist? Denn das Feuer ist nicht ausschaltbar, unter den Bedingungen des Klimawandels wird es immer problematischer.

Wenn wir nur an Feuerlöschfahrzeuge und -flugzeuge denken, werden wir dem Feuer immer hinterherlaufen. Unsere Mittel, und daran wird sich in naher Zukunft nichts ändern, erlauben es uns nicht, solche Feuerstürme zu bekämpfen. Es geht um Schadensbegrenzung, indem man Menschen und Infrastruktur rettet bzw. besser vorbereitet.

STANDARD: Wie genau?

Goldammer: Da man die Brandstiftung vermutlich nicht abstellen kann, muss man dort ansetzen, wo es brennt. Das sind die Vegetation und jene Infrastruktur, bei der das Feuer übergreifen kann. Man muss die Landschaft so gestalten, dass sie widerstandskräftiger gegen das Feuer wird. Das betrifft auch Siedlungen und damit die Häuser. Es gibt genügend Wege, ein Haus feuersicher zu bauen.

STANDARD: Und zwar?

Goldammer: Es gibt in Australien viele Holzhäuser. Sie sind teilweise auch nicht unterkellert und stehen mitunter auf Holzstelzen, sodass das Feuer unter das Haus tauchen kann. Die Dachbedeckung ist sehr entzündlich, sie besteht dort nicht wie in weiten Europas aus Schindeln, sondern aus brennbarem Material. Ein Feuerfunke reicht da schon aus. Und Klimaanlagen ziehen die Feuerfunken ins Haus, sodass es von innen heraus zu brennen beginnt. Man muss auch was gegen die Strahlungshitze unternehmen, etwa feuerfeste Fensterläden, damit die Strahlungshitze die Fenster nicht zerspringen lässt und die Feuer nicht ins Haus hineinlaufen können.

STANDARD: Wie sieht es mit der Umgebung rund ums Haus aus?

Goldammer: Es ist ein nachvollziehbarer Wunsch, wenn man die schönen Büsche und Bäume unter dem Fenster haben will. Aber das wäre eine tödliche Falle.

STANDARD: Den Faktor Klimawandel gibt es dabei natürlich schon auch noch.

Goldammer: Absolut. In der aktuellen Situation wissen wir aber nicht genau, ob der Tipping-Point schon überschritten ist, also ob alles schon unumkehrbar und unkontrollierbar geworden ist. Unabhängig davon ist das die politische Komponente: Die Welt, und damit der australische Premier und auch der US-Präsident und der brasilianische Präsident, weiß, was Sache ist beim Klimawandel. Aber sie sagen es offiziell nicht, aus welchen ökonomischen Gründen auch immer. Da muss natürlich etwas geändert werden. Die australische Regierung ist bereits ganz stark diesem Druck ausgesetzt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie einfach so weitermachen kann. (Kim Son Hoang, 21.1.2020)