Wien – Ex-Innenminister Herbert Kickls Sager, er wolle Flüchtlinge "konzentrieren", hallt vielen noch in den Ohren, sein türkiser Nachfolger Karl Nehammer (ÖVP) wählt nun andere Worte für dasselbe Thema. In "grenznahen" Lagern sollen Flüchtlinge festgehalten werden, bis ihr Verfahren zumindest in erster, vielleicht sogar in zweiter Instanz abgewickelt sei, sagte er am Montag in der "ZiB 2". Wenn möglich, sollten "mobile Einheiten des Bundesverwaltungsgerichts" sicherstellen, dass auch die zweite Instanz der Asylverfahren direkt vor Ort abgewickelt werde.

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Das soll für schnellere und effizientere Asylverfahren sorgen, so Nehammer, auch indem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und die Polizei im selben Haus sitzen sollen. Diese Lager sollen der einzige Ort sein, in dem Asylwerber einen Asylantrag stellen können.

Damit die Geflüchteten nicht untertauchen, sollen sie so gut wie möglich in der Lagergegend gehalten werden. Ihnen das aufzuerlegen könnte auf rechtliche Hürden stoßen. Man könne das aber mit einer Wohnsitzauflage "sehr wohl vorschreiben", so Nehammer, der Aufenthaltsort ließe sich damit zumindest "regional eingrenzen". Das erste dieser Lager soll "rasch" umgesetzt werden, als mögliche Orte nennt Nehammer den Grenzbereich zu Ungarn, Italien oder Slowenien.

Innenminister Nehammer will Geflüchtete "zumindest regional eingrenzen".
Foto: APA/NEUBAUER

Nehammer am Dienstag: "Wir brauchen keine neuen Asylzentren"

Am Dienstag ruderte Nehammer etwas zurück: "Wir brauchen keine neuen Asylzentren", hieß es in einer Aussendung nach heftigem Widerstand, unter anderem aus dem Burgenland. "Sondern Schnellverfahren an der Grenze, um das Weiterwinken nach Österreich und Mitteleuropa zu stoppen." Auf weitere Details wollte sich das Ministerium nicht einlassen.

Mit scharfer Kritik hatte zuvor der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) auf die Ankündigung Nehammers reagiert. Er sei schon länger in der Politik, "aber so einen Blödsinn habe ich überhaupt noch nicht gehört", sagte Doskozil im Gespräch mit der APA am Dienstag.

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil kritisierte Innenminister Nehammer scharf.
Foto: Matthias Cremer

Das Burgenland, in dem am Sonntag der Landtag neu gewählt wird, werde sich mit allen Mitteln gegen die Pläne von Türkis-Grün wehren. "Er braucht gar nicht zu Gesprächen ins Burgenland kommen", so Doskozil an die Adresse Nehammers. Der Auftritt des Innenministers sei für ihn enttäuschend und habe gezeigt, dass sich Nehammer offensichtlich in der Materie nicht auskenne. "Das ist nicht nur traurig für die Politik und das Innenministerium, sondern auch für die Menschen im Land." Diese würden nämlich darauf vertrauen, dass die Politik die Probleme löse und nicht PR mache und Schlagwörter produziere.

"Anschlag auf das Burgenland"

Ein Asylaufnahmezentrum an der ungarischen Grenze würde Traiskirchen ins Burgenland verlegen. Das sei "eine Farce und ein Anschlag aufs Burgenland". Das sei nicht ernst zu nehmen. Er erwarte sich von der burgenländischen ÖVP und den Grünen eine klare Positionierung dagegen, so Doskozil.

Die ÖVP wies Doskozils Kritik zurück: "Nehammer hat klar gemacht, dass man für einen Ernstfall im Asylbereich vorbereitet sein muss und von einem Prüfzustand gesprochen, keinesfalls war aber die Rede von einem zweiten Traiskirchen im Burgenland", so ÖVP-Vizegeneralsekretärin Gaby Schwarz via Aussendung.

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) zeigte sich am Dienstag "überrascht" von Nehammers Plänen. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) verwies auf das bereits bestehende Anhaltezentrum im obersteirischen Vordernberg.

Im Regierungsprogramm ist nicht explizit von neuen Asyleinrichtungen im Grenzbereich die Rede. Sehr wohl ist dort aber die "Schaffung eines beschleunigten, modernen, grenznahen Asylantragsverfahrens im Binnen-Grenzkontrollbereich" angekündigt. Dort sollen "die ersten Schritte im Asylverfahren" unter Berücksichtigung der bestehenden "Wohnsitzauflage" abgewickelt werden.

Debatte über Sicherungshaft geht weiter

Ebenfalls um das Festhalten von Asylwerbern geht es in der Diskussion über die Sicherungshaft, die seit der Veröffentlichung des Regierungsprogramms die Wogen hochgehen lässt. Auch diese solle nur für Asylwerber, nicht aber für potenziell gefährliche Österreicher gelten, konkretisierte Nehammer in der "ZiB 2". Grund dafür sei, dass eine der Rechtsgrundlagen, die die Umsetzung des umstrittenen Plans ermöglichen könnten, die EU-Aufnahmerichtlinie sei.

Auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger sagte in einem aktuellen APA-Interview, er gehe davon aus, "dass die Sicherungshaft mit den Grünen als Koalitionspartner umgesetzt wird". Freilich wäre dafür eine Änderung im Verfassungsgesetz notwendig, diese Lücke im System gehöre aber "unbedingt geschlossen".

Wöginger im Interview: Sicherungshaft komme fix.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Bedenken, dass es an der Rechtskonformität scheitern könnte, habe er nicht, denn: "Wenn es in 15 anderen Ländern in Europa möglich ist, dann wird es auch in Österreich möglich sein." Tatsächlich, so recherchierte DER STANDARD, reicht die Bandbreite nationaler Regelungen von Gesetzespassagen, die in der Praxis nie angewendet werden, bis hin zu Haftformen, die hunderte oder gar tausende Flüchtlinge betreffen.

Details des Regierungsprogramms

Laut Wöginger werde die Regelung freilich die Europäische Menschenrechtskonvention berücksichtigen. Den Gesprächen mit den Grünen will er aber nicht vorgreifen, schließlich habe man vereinbart, dass man sich das "in aller Ruhe" mit Experten und Verfassungsjuristen anschauen werde, sagte Wöginger anlässlich der am Dienstag angesetzten Klubklausur der Volkspartei.

Bei der Klausur in Mauerbach werden die ÖVP-Regierungsmitglieder, allen voran Bundeskanzler Sebastian Kurz, die Abgeordneten über die Details des Regierungsprogramms informieren, sie beginnt am Vormittag. Zunächst werden alle Minister ihre jeweiligen Kapitel vorstellen, anschließend gebe es dann "ausreichend Zeit für Diskussionen", so Wöginger. (red, APA, 21.1.2020)