Bei Kälte werden die Gelenke weniger gut "geschmiert" als bei Wärme. Dadurch steigt der Reibungsschmerz.

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Winter heißt Kälte, Regen, manchmal auch Schnee. Vor allem für Menschen, die an entzündlichen Gelenkerkrankungen wie Arthrose und Rheuma leiden, ist die kalte Jahreszeit ungemütlich. Denn: Die Schmerzen werden stärker.

"Aktuelle Studien zu diesem Thema zeigen oft unschlüssige oder widersprüchliche Ergebnisse. Das liegt unter anderem daran, dass die derzeitige Forschung psychologische Faktoren sowie das individuelle Aktivitätsniveau von Betroffenen oft vernachlässigt. Nur wenn man das Bild ganzheitlich betrachtet, erhält man eine Vorstellung davon, warum sich die Gelenke bei feuchtem, kaltem Wetter mit Schmerzen melden", erklärt der Wiener Unfallchirurg Marcus Hofbauer von der Privatklinik Döbling.

Ein Grund für verstärkte Gelenkschmerzen in der kalten Jahreszeit ist, dass sich viele Leute bei Kälte nicht locker bewegen. "Dadurch ist die Muskulatur angespannter als sonst. Die Durchblutung wird ebenfalls vermindert, der Druck auf die Gelenke verstärkt sich, und das führt zu dumpfen Schmerzen", erklärt Manfred Kuschnig, Leiter der Abteilung für Orthopädie und orthopädische Chirurgie am Elisabethinen-Krankenhaus in Klagenfurt.

Kälte fördert Verspannungen

Das Prinzip dahinter kennt jeder, der sich kalt duscht: Durch kühles Wasser spannen sich die Muskeln automatisch an. Auch niedrige Außentemperaturen führen demnach bei vielen Menschen zu einer erhöhten Muskel- und Faszien-Spannung. Die Folge: Gelenke und Bänder verlieren ihre Bewegungsfreiheit, wodurch die Nerven speziell im Gürtelbereich leicht aber schmerzvoll zusammengedrückt werden.

Zudem versucht der Körper bei niedrigen Temperaturen, wichtige Organe wie Herz oder Lunge, den sogenannten Körperkern, mit mehr Blut zu versorgen. Dabei werden die Blutgefäße in Armen, Beinen und der Schulter deutlich gestrafft und die Durchblutung vermindert, was zu dumpfen Schmerzen in den betroffenen Regionen führen kann.

Verspannungen sind vor allem auch die Ursache für Rückenschmerzen im Winter. "Wer friert, zieht die Schultern zusammen, und der Rücken wird leicht bucklig. Passiert das häufiger, reagieren die Muskeln", sagt Kuschnig. Dadurch wird eine regelrechte Abwärtsspirale in Gang gesetzt. Das heißt: Betroffene wollen sich schonen, indem sie weniger Bewegung machen. "Doch damit wählen sie den falschen Weg, denn Gelenke und Muskeln leben von Bewegung", so Kuschnig.

Gute Durchblutung senkt Reibungsschmerz

Werden Gelenke nicht bewegt, produzieren sie weniger Gelenkflüssigkeit, und der Schmerz verschlimmert sich. Regelmäßige körperliche Aktivitäten sorgen hingegen für eine bessere Durchblutung der Gelenke und reduzieren so den Reibungsschmerz. "Bei degenerativen Erkrankungen wie Arthrose ist eine gut trainierte Muskulatur besonders wichtig", betont Kuschnig. Sein Rat: Winterspaziergänge auf sicheren Wegen. Was noch wichtig ist: richtig anziehen. "Bei Kälte sollten die Gelenke stets warmgehalten werden", betont der Mediziner.

Tipps, wie die Gelenke gut durch den Winter kommen

  • Die Verlockung ist vor allem im Winter groß, das gemütliche Sofa zum besten Freund zu machen. Trotz Kälte sollte aber nicht auf Spaziergänge verzichtet werden. Vor allem die betroffenen Gelenke brauchen regelmäßig Bewegung. "Bewegungsmangel ist vor allem in der kalten Jahreszeit Gift für die Gelenke. Erst durch die regelmäßige Bewegung können sie besser durchblutet werden. Mit dem Blut gelangen wichtige Nährstoffe in die Gelenke, die den Reibungsschmerz lindern. Ein täglicher Winterspaziergang sollte daher, wenn möglich, unbedingt am Tagesplan stehen", sagt Marcus Hofbauer.
  • Wann immer sich die Möglichkeit ergibt, sollten ein paar Sonnenstrahlen getankt werden. Das kurbelt auch die Vitamin-D-Produktion an.
  • Unterkühlungen vermeiden, denn durch die Kälte wird das Immunsystem geschwächt. Der Grund: Die Blutgefäße ziehen sich zusammen, und die Zahl der Abwehrzellen sinkt. Um von Kopf bis Fuß warm zu bleiben, hilft nur eines: Mütze, Schal, Handschuhe und Winterstiefel anziehen. "Durch das Tragen von mehreren Kleidungsschichten werden die Wärmeproduktion, Luft- und Feuchtigkeitszirkulation perfektioniert und infolgedessen die Gelenke geschützt. Für schmerzende Gelenke können auch Knie- und Ellbogenwärmer ausprobiert werden", sagt Hofbauer. Doch nicht immer ist Wärme hilfreich. "Sind rheumatische Beschwerden der Ursprung von Gelenkschmerzen, die durch die Kälte erst spürbar werden, ist das Wärme eher kontraproduktiv. Bei Patienten mit Gelenksentzündungen hat der Einsatz von Kälte, wie beispielsweise mit einem Topfenwickel, eine schmerzstillende und abschwellende Wirkung. Wärme hingegen kann die Symptome verschlechtern", erklärt der Unfallchirurg.
  • Wer der Kälte entkommen möchte, kann im Hallenbad regelmäßig schwimmen gehen. Das schont die Gelenke und hält sie trotzdem fit.
  • Ausreichend trinken: Darauf wird im Winter oft vergessen, weil wir weniger schwitzen und deshalb nicht so oft Durst verspüren.
  • Auf Rind- und Schweinefleisch sollten Arthrose-Patienten möglichst verzichten, da das darin enthaltene tierische Fett die Arthrose-Symptome verschlimmern kann. Rotes Fleisch hat einen hohen Anteil von Arachidonsäure, die Entzündungen begünstigt. "Während rotes Fleisch Entzündungen in den Gelenken fördern kann, hilft Fisch mit seinen Omega-3-Fettsäuren, die Gelenke von Entzündungen zu befreien. Vor allem fettreiche Fische wie Lachs oder Makrele enthalten einen hohen Anteil an wertvollen ungesättigten Fettsäuren", sagt Hofbauer. (red, 21.1.2020)