Das Berghain in Berlin: Harte Tür für alte Musik.

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Derzeit ist die Rede davon, dass Dr. Motte, der einstige Miterfinder der Loveparade in Berlin, diese wiederbeleben und zum Weltkulturerbe erklären möchte. Die bis heute letzte und 19. Loveparade endete 2010, ausgelagert nach Duisburg, aufgrund einer Massenpanik mit 21 Toten.

Die Protagonisten der Technoszene, die sich mit ihrem europäischen Zentrum Berlin parallel zum Mauerfall vor 30 Jahren (!!!) zu etablieren begannen, sind mittlerweile allesamt in einem Alter, das hierzulande mindestens diverse Teilzeitmodelle als Übergang in die Frühpension vorsieht.

Musik für die Schihütte

Was man so hört, könnten manche DJs, Veranstalter und Clubbesitzer aufgrund eines gewissen die Gehirnsynapsen zerballernden Vorlebens längst auch Berufsunfähigkeit anmelden. Von Technokultur als angeblich unendlich vielfältige und sich stets erneuernde Kultur ist heute nicht viel mehr geblieben als das seit drei Jahrzehnten stur im Marschierpulverrhythmus dahinstampfende Nts-Nts-Nts-Nts auf den Skihütten. Das wird in den angesagten Clubs halt mit dunkleren Sounds als der Melodie des Kufsteinlieds behübscht. Wenn ich "Berlin Berghain" höre, schwillt mir der Kamm.

Ich sage das, weil ich erstens schon den Niedergang von Punk und Disco miterlebt habe, zweitens den Tod der Rockmusik – und drittens jene grimmigen Jahrzehnte, in deren Verlauf die Platten von Leuten wie Nick Cave, Madonna, Wolfgang Ambros oder Prince und DJ Bobo – und überhaupt alles – immer schlechter wurden.

Böllern und Stampfen

Ich sage das auch, weil aus der Nachbarwohnung gerade wieder seit Stunden das Four-to-the-Floor-Gestampfe des Nachbarbuben herüberböllert. Der geht mir seit seinem Einzug so wahnsinnig auf den Zeiger, dass ich es gar nicht sagen kann. Nts-Nts-Nts-Nts, Nts-Nts-Nts-Nts. Wenn zwischendurch einer ins Nebelhorn bläst, ist man wegen der unerwarteten Abwechslung beinahe dankbar.

Der Nachbarbub will einmal ein bedeutender Technokünstler werden. Er bastelt den Mist im Malen-nach-Zahlen-Verfahren auf seinem Laptop. Vielleicht sollte ich der ewiggestrigen Kaulquappe durch die Wand einmal guten alten Death Metal vorspielen. Das war noch Musik. Aber sie ist mir heutzutage auch zu blöd und zu laut. Tot wie Disco ist sie sowieso.(Christian Schachinger, 22. 1. 2020)