Es wäre ungerecht, Horst Scheuer ein One-Trick-Pony zu nennen. Dafür hat der langjährige Co-Betreiber des Skopik & Lohn die Wiener Lokalszene schon zu vielfältig bereichert. Okay, die Tage der legendären Techno-Raves vom Kollektiv XXX sind schon viele Jahrzehnte her. Und wer sich noch an die Zeit erinnern kann, als sein Roxy der heißeste Tanzschuppen der Stadt war, ist (in natura) garantiert schon ergraut.

Auch das Skopik & Lohn erfreut die Stadt seit einer kleinen Ewigkeit als Wiener Speisehaus neuer Prägung. Horst Scheuer hat sich davon nicht ganz freiwillig verabschiedet, es wird nun von Co-Gründerin Constance Fehle und ihrem Sohn Constantin Satek geführt und wirkt unverändert. Nur beim Ringelspiel der Küchenchefs – einer Marotte, der Scheuer sich mit Passion hingab – ist im Vergleich beinahe Ruhe eingekehrt.

Währing freut sich über Berger & Lohn, ein Restaurant, das Szenefigur Horst Scheuer am Ende der Gentzgasse eröffnet hat.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Dafür hat er jetzt ein neues Lokal aufgemacht, das wie ein Klon des Skopik wirkt und nur im Detail anders heißt. Da spricht nichts dagegen: Jeder soll sein Pony reiten, solange es ihn trägt. Also hat das Berger & Lohn, weit draußen in Währing, fast exakt dieselbe Speisekarte, die man aus dem Skopik & Lohn kennt. Nur das Papier ist so gewollt, so grob strukturiert, dass der Drucker Schwierigkeiten hat, alle Buchstaben auch leserlich aufzutragen. Halb so wild, die Stammgäste wissen ohnehin noch aus Scheuers Ex-Lokal, dass die Hieroglyphen hinter "Bacalao" eigentlich "Brandade" heißen sollen, eine aus Katalonien und der Provence bekannte Creme aus Stockfisch und Erdäpfeln.

Befreundete Künstler haben sich, wie schon im Skopik, auch im neuen "& Lohn" eingebracht. Tobias Pils gestaltete die Fliesen der Schank, Lukas Lederer steuerte vegetale Reliefs an der Wand bei, Claudia Cavallar hat Souterrain und Toiletten samt Beauty-Room mit Alt-Marmor (von Scheuer gehortet) als luxuriöse Katakomben interpretiert. Glaskunst in Blau und Orange wurde auch verbaut, die fiel beim Ausbeinen eines deutschen Schwimmbads aus den späten 1960ern ab und darf nun die Wand hinter der Schank in sakrales Licht tauchen.

Elegant vergessen

Die Kellner scheinen ob des Andrangs noch etwas überfordert. So hübsch, wie sie in den wohlbekannten Cameriere-Jacketts aussehen, ist man aber beinahe willens zu verzeihen. Nur die Weinflasche gehört strikt auf den Tisch reklamiert: Aufs Nachschenken vergessen die Signores in all dem Gewusel aus Währinger Regimentern und Scheuer-Groupies nämlich mit Eleganz – weshalb man ständig auf dem Trockenen sitzt.

Das "& Lohn"-Kalbswiener mit Gurkenrahm- und Erdäpfelsalat.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Und das Essen? Das "& Lohn"-Kalbswiener wird, wie gehabt, als dramatisch soufflierter Schmalzkrapfen mit einem Hauch Fleisch als Einlage interpretiert, Gurkenrahm- und Erdäpfelsalat dazu sind ohne Tadel. Beef Tartare mit eingesalzenem Dotter und einem Klacks Senfcreme sollte man sich auf dem Teller noch einmal ordentlich zusammenmischen, dann passt's. Roh marinierter Karfiol mit Kefir und getrockneten Oliven ist eine frische, würzig knackige Gemüsevorspeise. Weiße Tomatensuppe mit Gin, Parmesan und Basilikum gerät so köstlich weiß, wie wir uns den Winter nur noch träumen dürfen.

Geschmorte Schweinsbacken mit Rüben und Kichererbsenpüree sind gar cremig und gerontophil gegart, dafür ist die knusprig gebratene Hendlbrust beinahe saftig und die Zuspeis’ aus Selleriepüree, sauer eingelegten Pflaumen und Saubohnen ein reines Vergnügen. Überhaupt gehört gelobt, dass hier (wie im Skopik) darauf geachtet wird, Grünzeug nicht nur als Dekor für die Fleischtrümmerln zu missbrauchen. Dass aber Branzino all'acqua pazza mit dem tatsächlichen Gericht dieses Namens sogar die Zutaten nur marginal gemein hat (von der Zubereitung nicht zu reden), ist des Horsts nicht würdig. (Severin Corti, RONDO, 23.1.2020)

Google-Map: Aktuelle Restaurantkritiken in Wien

Lokale in Österreich: Severin Cortis Restaurantkritiken

Rezepte in der Standard.at/EssBar