Die US-Künstlerin Bunny Rogers hat mit ihrem Hang zum Makabren bereits eine steile Karriere hingelegt.

Foto: Markus Tretter

Treffen sich Abraham Lincoln, Jeanne d’Arc und Mahatma Gandhi an einer amerikanischen Highschool. So könnte ein Witz beginnen, es handelt sich aber um den Plot der US-Animationsserie Clone High, die zu Beginn der Nullerjahre berühmte Persönlichkeiten der Weltgeschichte samt ihren adoleszenten Nöten zurück auf die Schulbank schickte.

Es ist durchaus hilfreich, das zu wissen, bekommt man es mit der US-Künstlerin Bunny Rogers zu tun. Nicht selten begegnet man zunächst einmal einem ihrer Alter Egos. Zu ihnen zählt auch Joan of Arc aus Clone High. Es entstehen Porträtserien oder auch Videos, in denen Rogers aus der Deckung ihrer Comic-Stellvertreterinnen heraus Lesungen der eigenen Gedichte inszeniert. Es geht dabei auch um das Spiel mit (virtuellen) Identitäten: Wer im Netz nach Rogers, 1990 in Houston, Texas, geboren, sucht, findet Auflistungen ihrer unterschiedlichen Nicknames oder landet auf der Website everybodydiesbut.me.

Gestorben wird immer

Sie sei, sagt Rogers, mit "dem Internet als Zufluchtsort" aufgewachsen. Sie spürt im Netz aber auch bis an die Grenzen der Hysterie betriebene kollektive Trauerkulte auf, die sich in ihren Installationen mitunter selbst als Teil einer globalen Unterhaltungsindustrie entlarven.

Gestorben wird bei Bunny Rogers (fast) immer: Größere Bekanntheit erlangte die Künstlerin mit ihren Installationen, die sich auf den Amoklauf an der Columbine High School in Colorado von 1999 bezogen. In raumgreifenden Installationen in der Societé Berlin empfand sie mit der Schulbibliothek und der Cafeteria reale Schauplätze des Massakers nach und lud sie mit unzähligen popkulturellen Verweisen auf.

Auch in Rogers’ jüngeren Auseinandersetzungen mit Tod und Trauer verschwimmen die Ebenen zwischen Erinnertem und Imaginiertem. Versatzstücke von Trauerfeiern finden sich neben mit Trauerbändern geschmückten Wischmopps wieder. Es geht hier keineswegs allein um die Ohnmachts- oder auch Machtgefühle einer mit Begriffen wie "Teenage Angst" überfrachteten Jugend, sondern auch um die Abgründe der Konsumwelt und Vergnügungsindustrie.

Exzessive Totenfeier

Erstaunlich offen spricht Rogers über Suizidgedanken während ihrer Jugend und Depressionen, die sie, so die Künstlerin, ihr Leben lang begleiten werden. Eigentlich, sagt Rogers im STANDARD-Gespräch, habe sie Kinderbuchillustratorin werden wollen. Auf der New Yorker Parsons School of Design stellten sich Kunst und Poesie schließlich als die richtigen Kanäle heraus, "um meine eigenen Gefühle zu sortieren". Bis 2017 studierte sie am Royal Institute of Art in Stockholm, zuletzt stellte sie unter anderem im Hamburger Bahnhof, im Whitney Museum und im Louisiana Museum of Modern Art in Humblebæck aus.

Eine steile Karriere für die mittlerweile Dreißigjährige, deren Geburtstag mit der Eröffnung ihrer räumlich bisher größten Schau zusammenfiel, die gerade im Kunsthaus Bregenz zu sehen ist.

Der Zumthor-Bau erweist sich als überaus tauglich für das Mausoleum, das Rogers aus ihm macht: Nicht zum ersten Mal inszeniert die Künstlerin in der Schau mit dem Titel Kind Kingdom ihr eigenes Begräbnis, in diesem Fall als eine in nachtblaues Licht getauchte Grabesszene mit künstlichen Glühwürmchen und schwarzen Rosengebinden.

Der im Kunsthaus auf zwei Ebenen verlegte echte Rasen ist die stimmigste Zutat zu diesem Memento mori: Es riecht frisch, feucht, vielleicht auch bald faulig, kurzum: nach Leben und Vergänglichkeit zugleich.

Von der mit Dreck übersäten Müllhalde, die von der exzessiven Totenfeier übrig blieb, steigt man weiter hinauf bis in den Waschraum einer Schule: Rund 30.000 Fliesen wurden im obersten Stockwerk verlegt, wo es aus Duschköpfen tropft und dampft, sich die Trauer aber höchstens symbolisch von der Seele waschen lässt. (Ivona Jelčić, 22.1.2020)