Die Preise an der Zapfsäule trügen, Diesel ist in Österreich nicht billiger als im Ausland. In Ländern wie Italien, Ungarn und Slowenien bekommen Unternehmen die Mineralölsteuer rückerstattet.

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Das Kapitel "Transit" im türkis-grünen Regierungspakt kann auch als Erfolg für die Tiroler Landesregierung gelesen werden. Dort ächzt man schon länger unter den Belastungen des Schwerverkehrs, der von Deutschland nach Italien rollt und höchstens zum Tanken im Inntal haltmacht. 2,47 Millionen Lkws haben 2019 die Mautstelle Schönberg südlich von Innsbruck passiert, 1,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Viele Frächter lockten die Dieselpreise ins Land, mahnen Experten, denn Diesel ist in Österreich steuerlich begünstigt.

Bisher reagieren die Tiroler mit Blockabfertigungen für den Lkw-Verkehr auf die Umweltbelastung. In den Nachbarländern hat das bereits zu Verstimmungen geführt. Aber gut möglich, dass Blockabfertigungen nicht die einzige Maßnahme bleiben. Die Regierung bekennt sich zur "Unterstützung der Bundesländer bei ihren Notmaßnahmen zur Bekämpfung des Lkw-Transitverkehrs". Zudem will sie den Tanktourismus bekämpfen und verhindern, dass Lkws wegen "wettbewerbsverzerrender Privilegien" Umwege durch Österreich nehmen. Eine naheliegende Interpretation: Das Dieselprivileg muss weg.

Die Abschaffung des Dieselprivilegs war im Wahlkampf ein großes Thema.
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Die Tiroler Grünen fordern dies jedenfalls schon länger. Der grüne Verkehrssprecher im Tiroler Landtag, Michael Mingler, rechnet vor: "Das antiquierte Dieselprivileg hat zur Folge, dass pro Jahr zusätzlich 300.000 Lkws durch Tirol rollen. Die Frächter nehmen für den billigen Diesel einen Umweg von über einer Stunde in Kauf."

Er darf auf gewichtige Unterstützung aus Wien zählen. Die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler hat der Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger von der ÖVP unlängst widersprochen, als diese öffentlich am Dieselprivileg festhielt. Und auch Hermann Weratschnig, grüner Verkehrssprecher im Nationalrat, pochte am Montag auf die Abschaffung des Dieselprivilegs.

Wer genauer hinsieht, merkt aber: Ob Diesel zu günstig ist, ist eine Frage der Perspektive. Nimmt man den Preis, den Verbraucher an der Zapfsäule zahlen, ist Diesel hierzulande steuerlich begünstigt. Pro Liter Benzin fließen 48,2 Cent an den Fiskus, je Liter Diesel bloß 39,7 Cent.

Unterm Strich im Mittelfeld

Nimmt man aber den Preis, den Frächter in Österreichs Nachbarländern für den hierzulande begünstigten Kraftstoff zahlen, sieht die Sache anders aus. In der EU tätige Unternehmen können sich die Mineralölsteuer auf Diesel in Ländern wie Belgien, Frankreich, Spanien, Ungarn, Slowenien und auch Italien rückerstatten lassen. "Unterm Strich liegt Österreich damit eher im Mittelfeld als unter den günstigsten Ländern", sagt Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKO).

In Ungarn und Slowenien liegt der Dieselpreis nach Rückerstattung unter dem österreichischen. Und in Italien, wo der Liter Diesel an der Zapfsäule rund 30 Cent mehr kostet als in Österreich, zahlen EU-Unternehmen letztlich nur rund einen Cent mehr pro Liter.

Gut für das Klima

Wird Diesel teurer, trifft dies folglich vor allem zwei Gruppen: zum einen heimische Frächter, die nur auf Österreichs Autobahnen unterwegs sind, zum anderen Private. Denn tiefer in die Tasche greift bei der Steuererhöhung nur, wer keine billige Tankalternative im Ausland hat. Ein Frächter, der zwischen den Niederlanden und Südeuropa unterwegs ist, wird den rund 120 Kilometer langen Korridor zwischen Kufstein und dem Brennerpass nicht meiden, nur weil Diesel dort teurer wird, mutmaßt man bei der WKO – er wird hinter der Grenze tanken.

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) widerspricht: Demnach sei der Preisvergleich mit der Schweiz relevant. Solange Österreichs Diesel deutlich billiger sei, würden Frächter den Umweg durch Österreich nehmen.

Teurerer Diesel würde den Tanktourismus jedenfalls fast vollständig zum Erliegen bringen, rechnen Experten des Wirtschaftsforschungsinstituts Economica vor. Zudem würde insgesamt weniger Diesel getankt und die CO2-Emissionen im Verkehr um 4,8 Tonnen sinken. Gleichzeitig würden dem Fiskus mit den Tanktouristen aber auch Steuereinnahmen entgehen. (Aloysius Widmann, 22.1.2020)