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Adam Schiff bei seinem Eröffnungsstatement.

Foto: REUTERS/U.S. Senate TV

Im Zeichen heftigen Streits um das Prozedere hat am Dienstag im amerikanischen Senat der Impeachment-Prozess gegen Donald Trump begonnen. Zum Auftakt des ersten Verhandlungstages warf die Opposition den republikanischen Verbündeten des Präsidenten vor, es auf eine Farce hinauslaufen zu lassen.

Noch wichtiger als die Frage nach Schuld oder Unschuld sei die Entscheidung, die die Senatoren gleich am Anfang zu treffen hätten, sagte Adam Schiff, einer der sieben Abgeordneten, die im Namen des Repräsentantenhauses die Klage zu begründen haben. "Die wichtigste Frage ist: Werden der Präsident und das amerikanische Volk ein faires Verfahren bekommen?" Sollten weder zusätzliche Zeugen noch neues Beweismaterial zugelassen werden, könne davon allerdings keine Rede sein. "Ein Prozess ohne Zeugen und Beweise ist kein Prozess. Es ist eine Farce."

Warum nicht bei Tag?

Unmittelbar vor der ersten Sitzung hatte Chuck Schumer, der Fraktionschef der Demokraten im Senat, scharfe Kritik an Verfahrensregeln geübt, die Mitch McConnell, der führende Republikaner der Parlamentskammer, zur Abstimmung stellen wollte. Ginge es nach den Konservativen, so Schumer, könnten wichtige Fakten erst zu nächtlicher Stunde präsentiert werden. "Wenn sie so überzeugt sind von Donald Trumps Unschuld, warum lassen sie uns nicht im hellen Tageslicht darüber reden?"

Nach einem Regelkatalog, den McConnell am Abend zuvor öffentlich gemacht hatte, werden den Klägern lediglich 24 Stunden eingeräumt, damit sie ihren Fall darlegen. Danach bleibt den Verteidigern ebenso viel Zeit, um ihre Argumente zur Entlastung Trumps vorzubringen. Allerdings sollte der Auftritt jeder Seite auf zwei Tage begrenzt werden, theoretisch also auf zwölf Stunden pro Tag.

Frist verlängert

Da die Verhandlung in keinem Fall vor neun Uhr morgens beginnen dürfte und längere Pausen einzurechnen sind, befürchteten die Demokraten, ihre Vertreter könnten noch zu nächtlicher Stunde am Rednerpult stehen, um die Amtsenthebung des Präsidenten zu begründen. Dann, wenn an den Bildschirmen kaum noch einer zuschaut. Auch unter dem Druck gemäßigter Politiker aus den eigenen Reihen sah sich McConnell jedoch gezwungen, beiden Parteien statt einer zweitägigen eine jeweils dreitägige Spanne einzusäumen – ein erster, kleiner Erfolg für seine Kritiker.

Warum der Senatsveteran aus Kentucky aufs Tempo zu drücken versucht, ergibt sich schon aus einem Blick in den politischen Kalender der Stadt Washington. Am 4. Februar steht, alljährlich zu halten, die Rede zur Lage der Nation auf dem Programm. Trump möchte den Anlass nutzen, um sich von seinen Anhängern feiern zu lassen, freigesprochen vom Senat, in seiner kuriosen Sicht glänzend rehabilitiert, nachdem ihn die "radikale Linke", wie er seine Gegner inzwischen nennt, aus dem Amt zu putschen versuchte.

16 Stunden Fragen

Die Abstimmung über McConnells Fahrplan war der erste Punkt von Substanz auf der Tagesordnung. Nach einer fast 13-stündigen Debatte hat der Senat das Prozedere schließlich festgelegt. Die Kongresskammer beschloss in der Nacht auf Mittwoch (Ortszeit) mit der Mehrheit der Republikaner die Resolution zu Verfahrensregeln, die McConnell vorgelegt hatte.

Demnach bekommen zunächst die Anklagevertreter und die Verteidigung jeweils bis zu 24 Stunden auf drei Tage verteilt Zeit für ihre Eröffnungsplädoyers. Danach sollen die Senatoren die Möglichkeit bekommen, schriftlich Fragen zu stellen. Erst anschließend – also in der kommenden Woche – soll der Senat entscheiden, ob auch Zeugen vorgeladen werden oder nicht.

Die Opposition hatte darauf gedrängt, über die Zeugenladungen gleich zu Beginn zu entscheiden. Nach ihrem Willen soll vor allem John Bolton, bis September Nationaler Sicherheitsberater, aus der Perspektive des Insiders schildern, was genau hinter den Kulissen der Macht geschah, als Trump die Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine an Ermittlungen gegen seinen Rivalen Joe Biden knüpfte.

Um es mit der erforderlichen 51-Stimmen-Mehrheit durchzusetzen, hätten die Demokraten mindestens vier Republikaner auf ihre Seite ziehen müssen, da sie selbst nur auf 47 Senatssitze kommen. Zunächst hatten drei – Susan Collins, Lisa Murkowski und Mitt Romney – Entgegenkommen signalisiert, um dem Vorwurf zu entgehen, sie hätten nicht auf Gründlichkeit gepocht.

Allerdings votierte der Senat nach stundenlanger Sitzung am Mittwochmorgen europäischer Zeit gegen einen Antrag auf Vorladung Boltons – genauso wie gegen weitere Anträge auf Zeugenvorladungen vonseiten der Demokraten. Die Voten verliefen entlang der Parteiengrenzen.

Tiefer Graben

McConnell jedenfalls verschob das Votum über zusätzliche Zeugen auf nächste Woche, statt zum Auftakt einen Showdown zu riskieren, den die Trump-Loyalisten verlieren könnten. Schon seine Regieführung verdeutlicht, was den Jänner 2020 vom Jänner 1999 unterscheidet. Beim Impeachment des Präsidenten Bill Clinton hatten sich Demokraten und Republikaner vorab auf die Spielregeln geeinigt. Diesmal ist der Graben so tief, dass nicht einmal das möglich war.

Offen bleibt, welche Gegenleistung jene vier, fünf oder auch sechs Republikaner, von denen man glaubt, dass sie beim Clinch um Zeugen auf Distanz zu Trump gehen könnten, von der Opposition verlangen. Geben sie der Vernehmung Boltons grünes Licht, könnten sie fordern, auch Joe Bidens Sohn Hunter, der einst im Aufsichtsrat des ukrainischen Erdgaskonzerns Burisma saß, vorzuladen. Die Demokraten lehnen das bisher ab: Biden junior, führen sie ins Feld, habe rein gar nichts mit den Erpressungsversuchen des Weißen Hauses zu tun, weshalb seine Aussage irrelevant wäre. (Frank Herrmann aus Washington, 21.1.2020)