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Ministerpräsident Hassan Diab bei seiner Pressekonferenz am Dienstag.

Foto: AP/Bilal Hussein

Beirut – Nach landesweiten Massenprotesten und einer monatelangen Verzögerung hat der Libanon eine neue Regierung. Der neue Ministerpräsident Hassan Diab stellte am Dienstag sein 20 Mitglieder zählendes Kabinett vor.

Mit ihm soll das Land aus der schwersten politischen und wirtschaftlichen Krise seit dem Ende des Bürgerkriegs vor 30 Jahren finden. "Es ist Zeit, an die Arbeit zu gehen", sagte Diab nach der Kabinettsbildung.

Erste Frau im Kabinett

Die Minister entstammen nicht den traditionellen Parteien des Landes. Damit soll eine zentrale Forderung der Demonstranten, die einen Rücktritt der gesamten politischen Führung gefordert hatten, erfüllt werden. Zudem dient mit Saina Akar nun erstmals eine Frau als Verteidigungsministerin sowie als stellvertretende Ministerpräsidentin.

Dem früheren Bildungsminister und Universitätsprofessor Diab war es wegen des Machtkampfs der wichtigsten politischen Blöcke lange nicht gelungen, ein neues Kabinett zu bilden. Besonders stark ist im Libanon die schiitische Hisbollah, die enge Kontakte zum Iran pflegt. Diab wurde unter anderem mithilfe der Hisbollah und des Präsidenten Michel Aoun zum neuen Regierungschef ernannt. Sein Vorgänger Saad Hariri war nach Massenprotesten Ende Oktober zurückgetreten, seither war der Libanon ohne Regierung.

Verbrannte Reifen, blockierte Straßen

Kurz nach Verkündung des neuen Kabinetts protestierten im ganzen Land Regierungsgegner, verbrannten Reifen und blockierten Straßen. Andere versammelten sich in der Nähe des Parlamentsgebäudes in Beirut und schleuderten Steine auf Polizisten. Diese schoss mit Tränengas zurück. "Ja, es sind neue Namen und Gesichter, aber sie scheinen die Berater von Ministern zu sein, und die Minister sind jetzt Berater", sagte ein Demonstrant der Deutschen Presse-Agentur. "Sie täuschen das libanesische Volk", sagte ein anderer, der von "geheimen Agenden hinter neuen Gesichtern" sprach.

Mit seinen 18 religiösen Gruppen gleicht das sechs Millionen Einwohner zählende Land einem konfessionellen Fleckerlteppich. All diese Gruppen sind im Parlament vertreten und haben bei der Regierungsbildung üblicherweise ein Wort mitzureden. Unter den neuen Ministern sind unter anderem Schiiten, Sunniten und christliche Maroniten. Sie bilden die drei größten religiösen Gruppen im Libanon.

Die Massenproteste hatten sich in den vergangenen Wochen beruhigt. Mit der zunehmenden Verzögerung bei der Regierungsbildung wuchs der Unmut der Demonstranten dann aber erneut. Am Wochenende kam es in Beirut vor dem Parlamentsgebäude zu gewaltsamen Zusammenstößen mit mehr als 460 Verletzten, darunter mehr als 140 Polizisten. Sicherheitskräfte setzten dabei Tränengas und Gummigeschosse gegen Demonstranten ein. (APA, dpa, 22.1.2020)