Di Maio sagt Adieu, nimmt den Hut – und ist schon weg.

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Der Zeitpunkt für den Rücktritt ist weder zufällig gewählt noch zeugt er von großer Stilsicherheit: Parteichef Luigi Di Maio demissioniert nur vier Tage vor den Regionalwahlen in der Emilia-Romagna und in Kalabrien, wo seine Fünf-Sterne-Bewegung mit zwei vernichtenden Niederlagen rechnen muss. Da er ein solches Debakel politisch ohnehin nicht überlebt hätte, trat der 33-Jährige lieber vorab und freiwillig als Parteichef zurück, will aber Außenminister in der Regierung von Giuseppe Conte bleiben.

Di Maio stand schon seit Monaten in der Kritik: Unter ihm sind die Grillini von 32 Prozent bei den Parlamentswahlen 2018 auf 17 Prozent bei den Europawahlen 2019 abgestürzt. Bei folgenden regionalen Urnengängen setzte es für die größte Regierungspartei in Rom mitunter sogar einstellige Wahlresultate. Bei den Wahlen am kommenden Sonntag drohen gar nur fünf Prozent.

Der vormaligen Protestbewegung laufen nicht nur die Wähler davon, sondern auch die Gewählten: Die Fünf-Sterne-Fraktionen in Senat und Abgeordnetenhaus haben schon mehr als zwei Dutzend Mitglieder verloren – durch freiwillige Parteiaustritte oder auch durch Parteiausschluss.

Den Zerfall hat Di Maio allerdings nur zum Teil zu verantworten: Die Krise hat auch strukturelle Ursachen. Die Anti-System-Bewegung, die sich als "postideologisch" bezeichnet, ist nach ihrem Wahlsieg vor knapp zwei Jahren selbst Teil des Systems geworden, hat aber als Regierungspartei nie zu einer eigenen politischen Identität gefunden.

Opportunistische Politik

Aus "postideologisch" wurde opportunistisch: Erst regierte Di Maio mehr als ein Jahr lang zusammen mit der rechtsradikalen, europafeindlichen Lega von Matteo Salvini – um dann im September 2019, als sei eine derartige Kehrtwende das Normalste der Welt, mit dem linken, EZU-freundlichen PD von Nicola Zingaretti eine neue Regierung zu bilden.

Hinzu kommt bei den Fünf Sternen ein eklatanter Mangel an interner Demokratie: Wichtige Entscheidungen werden von einem engen Zirkel rund um Beppe Grillo, dem Gründer und Guru der Protestbewegung, gefällt. Neben Grillo gehören diesem Führungszirkel Di Maio und der Chef einer privaten IT-Firma, Davide Casaleggio, an. Gewählte Parlamentarier hatten zum politischen Kurs oder zu Personalentscheidungen bisher nie etwas zu sagen. Die Protestbewegung ähnelt deswegen eher einer Esoteriksekte als einer demokratischen Partei. Di Maios Rücktritt soll nun eine neue Phase einläuten – wenn es dafür nicht schon zu spät ist.

Die Führungskrise und die internen Flügelkämpfe könnten sich auch destabilisierend auf die ohnehin schon gelähmt wirkende Regierung des parteilosen Jus-Professors Conte auswirken. Der Mitgliederschwund bei den Fünf Sternen hat insbesondere im Senat besorgniserregende Ausmaße angenommen: In der kleinen, dennoch einflussreichen Parlamentskammer verfügt die Regierungskoalition nur noch über eine hauchdünne Mehrheit. Und es drohen weitere Ausschlüsse, weil viele Fünf-Sterne-Abgeordnete Gefallen an ihren großzügigen Salärs gefunden haben und mit ihren Zahlungen in die Parteikasse in Verzug sind.

Durchhalteparole

Conte hatte zuletzt verlauten lassen, dass ein Rücktritt Di Maios als Fünf-Sterne-Politikchef keinen negativen Einfluss auf die Regierung haben werde – das klang reichlich nach Durchhalteparole. Denn je nach Ausmaß der Wahlschlappe in der Emilia-Romagna könnte die Bewegung endgültig implodieren.

Und auch beim kleineren Koalitionspartner, dem sozialdemokratischen PD, blickt man mit Sorge auf die Wahl am Wochenende: Verliert die Linke mit der Emilia-Romagna auch noch ihre letzte Hochburg an Salvinis Lega, dann dürften sich diejenigen PD-Parlamentarier bestätigt fühlen, welche die Regierungskoalition ihrer Partei mit den chaotischen Grillini von Anfang an als Himmelfahrtskommando empfunden hatten – und das sinkende Schiff lieber heute als morgen verlassen würden. (Dominik Straub aus Rom, 22.1.2020)