Laurent Koepp, Stefan Niederwieser und Martina Brunner kümmern sich ab jetzt um Wien bei Nacht.

Foto: Christoph Liebentritt/buero_butter

Die Schaffung einer Servicestelle, die das Veranstalten in Wien vereinfacht, erregte unter dem Stichwort "Nachtbürgermeister" zuletzt Aufmerksamkeit. Im Dezember kam Bewegung in die Sache. Ein Förderantrag des Mica – Music Austria wurde genehmigt. Die Mittel stammen von der Kulturabteilung der Stadt Wien, die die Konzeption der Anlaufstelle mit 290.000 Euro förderte. Das Pilotprojekt trägt nun den Namen Vienna Club Commission und besteht neben Mica-Chefin Sabine Reiter aus dem Veranstalter Laurent Koepp, dem Kulturjournalisten Stefan Niederwieser und der Begründerin der Initiative N8BM Martina Brunner. Innerhalb eines Jahres müssen sie die erste Vienna Club Commission auf eine solide organisatorische und inhaltliche Basis stellen.

STANDARD: Wie erklärt man gänzlich Unbeleckten den Kulturaspekt von Clubkultur?

Niederwieser: Ein Club ist ein sozialer Ort, der es erlaubt, eine gewisse Identität auszuleben, aber auch für sich zu erfinden. Das gehört zum Wesen von Kultur.

STANDARD: Was unterscheidet das Nachtleben in Wien positiv von anderen Städten?

Niederwieser: Es gibt ein starkes Bewusstsein, dass es hier um Kultur und nicht nur um Party geht, sowohl in der Szene als auch in der Politik. In vielen anderen Städten ist Clubkultur tendenziell etwas für reiche Leute. Wien hat eine hohe Vielfalt an niederschwelligen Veranstaltungen, wo ein Konzert in einen Clubbetrieb übergeht, dazwischen eine Lesung oder Modenschau stattfindet.

Koepp: In den letzten Jahren haben Veranstalterkollektive die Stadt sehr geprägt. Sie arbeiten zusammen, teilen sich Ressourcen und gestalten die sozioökonomische Komponente von Clubbing mit: Wie geht man mit Müll um, wie geht man mit Awareness um?

STANDARD: Wie hat sich das Wiener Nachtleben in den letzten Jahren verändert? Man hört das Stichwort Clubsterben, es heißt, die Jungen würden nicht mehr ausgehen.

Niederwieser: Anfang der 2010er hat es einen Boom gegeben, viele Locations wurden eröffnet. Die alte Pratersauna hat in Sachen Eventkonzeptionierung vorgelegt. Später verlagerte sich das Feiern in die Freiräume. Das ist dem Umstand geschuldet, dass unter dem Demonstrationsrecht draußen viel möglich ist, wenn man sich richtig anstellt. Ein Clubsterben beobachte ich in Wien nicht ...

Koepp: ... und dass die Jungen nicht feiern würden, sehe ich auch nicht. Sie feiern eventuell anders als früher. Neue Formate wie zum Beispiel sexpositive Partys sind gut besucht. Vor dem O, einem der Clubs, die gerade eröffnet wurden, muss man sich teilweise eine Stunde anstellen.

STANDARD: Welche Probleme im Nachtleben sind besonders heikel?

Koepp: Lärmschutz gehört dazu. Es gibt Tragwände, die den Bass ins letzte Stockwerk hochtragen, wo Schallschutz einfach schwierig umzusetzen ist. Das Thema Abschaffung der Sperrstunde ist etwas, zu dem es sehr viele divergierende Meinungen gibt.

Brunner: Grundsätzlich möchte kein Veranstalter stören, trotzdem gibt es immer wieder Anzeigen. Verständnis füreinander aufzubauen ist eine Herausforderung. Außerdem geht es nicht nur ums Jetzt, sondern auch um die Zukunft: Wo ein neuer Club hingebaut wird, ist eine stadtplanerische Frage, bei der schon sehr viel Konfliktpotenzial im Vorhinein ausgeschlossen werden könnte.

STANDARD: Sie führen mit einem Forschungsinstitut eine Bedarfserhebung durch. Was wird abgefragt?

Koepp: Es wird erhoben, wie gut die Clubbetreiber und die Veranstalter bereits mit den Magistraten zusammenarbeiten, wie gut sie sich von bestehenden Servicestellen wie dem Eventcenter, der WKO oder der IG Kultur informiert fühlen. Es wird erhoben, welche Probleme sie haben. Zum Beispiel an der Tür, mit übergriffigen Gästen oder Drogenmissbrauch. Weiters wird abgefragt, ob Clubbetreiber und Veranstalter davon leben können. Es geht also auch um eine wirtschaftliche Komponente.

STANDARD: Das betrifft nur Orte mit kulturellem Anspruch?

Niederwieser: Nein, es geht um alle Orte, an denen in der Nacht veranstaltet wird. Wir sind keine Polizei, die den Kulturbegriff überprüft.

STANDARD: Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler möchte bereits in einem halben Jahr Zwischenergebnisse sehen. Was werden Sie in sechs Monaten schaffen?

Brunner: Wir werden ein Musikspielstättenmonitoring fertig haben, weiters wird die Bedarfserhebung vorliegen. Mit dieser wissen wir, woran wir konkreter mit der Szene arbeiten können. Wir werden an Konferenzen teilnehmen, um uns zu präsentieren und auszutauschen. Wien wird gerade ein Best-Practice-Beispiel, weil wir bei Mica – Music Austria als neutraler Stelle angesiedelt sind, die trotzdem nah genug an die Stadt angebunden ist, um von den Stakeholdern ernst genommen zu werden. Bei unseren Podiumsdiskussionen wird ein Fokus auf den Themen Diversity und Nachhaltigkeit liegen. Unsere Aufgabe ist schon auch, für solche Themen ein Bewusstsein zu schaffen.

STANDARD: Sie kommen aus der Kultur und der Gastronomie. Reicht diese Expertise für eine so komplexe Querschnittsmaterie?

Brunner: Es gibt Themenkreise, anhand derer wir die Organisationsstruktur der Vienna Club Commission entwickeln.

Niederwieser: Wir holen Experten dazu, zum Beispiel in Verwaltungsfragen. Wir wissen auch um unsere blinden Flecken, was Clubkultur betrifft. Die wird in Wien ja gern auf die inneren Bezirke beschränkt. Im "Falter" oder im STANDARD findet man ja auch keine Berichterstattung über einen Club Village in Favoriten.

STANDARD: Gibt es auch gewisse Szenen, die mit diesem Prozess gar nichts zu tun haben wollen?

Niederwieser: In einem anderen Kontext hat uns die Pankahyttn geschrieben: "Wir führen keinen Club, wir führen einen Kampf." Ich respektiere das vollauf. Wer uns nicht braucht, dem drängen wir uns nicht auf. (Amira Ben Saoud, 23.1.2020)