Chefinnen der Gasse (v. li.): Gabriele Senn, Barbara Pretterhofer und Christine König.

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Vor 20 Jahren eröffnete Christine König als eine der Ersten ihre Galerie in der Schleifmühlgasse, heute ist das Viertel bekannt als Wiener Kunst-Hotspot.
Foto: Christine König Galerie, Wien

Kleine und große Trauben stehen auf dem Gehsteig – Trauben aus Menschen mit dicken Jacken, in den Händen Dosenbier und Sektgläser. Besonders eng ist es zwischen den Hausnummern 1 bis 5. Da, wo es hell aus den Vitrinen leuchtet und sich noch mehr Menschen im Inneren zu neuen Grüppchen sammeln. Ganz im Sinne der Kunst: Es ist Eröffnungsabend in der Schleifmühlgasse.

Neben der Eschenbachgasse und der Innenstadt zählt die Schleifmühlgasse im Wiedner Freihausviertel zu den wichtigsten Galeriegrätzeln in Wien. Mit den vielen Bars, Cafés und kleinen Geschäften gilt dieses nahe dem Naschmarkt als zentral und modern. Die Schleifmühlgasse liegt in einer Gegend, in der Menschen gern wohnen, wenn sie es sich leisten können.

Kunst statt Autobahn

Das war allerdings nicht immer so, erzählt Christine König. Vor 20 Jahren eröffnete sie als Zweite ihre Galerie in der Schleifmühlgasse. "Das war damals nur eine Durchfahrtsstraße, um nach Kärnten oder in die Steiermark zu gelangen", erinnert sich König, "die Häuser waren teilweise verkommen, die Handwerksbetriebe geschlossen, sonst gab es hier nichts."

Im Jahr 1998 kam Georg Kargl in das Viertel und eröffnete seine Galerie, die seit seinem Tod vor zwei Jahren von seiner Frau Inés Lombardi weitergeführt wird. Ein Jahr später überredete Kargl König, ihre Galerie aus dem ersten Bezirk nach zehn Jahren auch hierher zu verlegen. Ohne ihn hätte sie diesen Schritt nie gewagt, sagt die 1953 geborene Galeristin. "Eine sehr smarte Idee", sagt König heute. Kurz danach eröffneten auch Gabriele Senn und Kerstin Engholm ihre Galerien in der Schleifmühlgasse und prägten gemeinsam mit König und Kargl die Gasse als Kunststandort.

Boom seit dem Millennium

Dass nach und nach die Geschäfte und Lokale in der Gasse aufsperrten, habe man eigentlich den Galerien zu verdanken, ist sich König sicher. "Die siedelten sich hier an, weil durch uns ein zahlungsfähiges Publikum angezogen wurde." Von Anfang an war es von Vorteil, nicht allein in der Gegend zu sein. "Man hilft sich auch heute gegenseitig", sagt König, "auch wenn es nur eine ausgeborgte Leiter ist."

Seit der Jahrtausendwende hat sich vieles in der Gasse verändert: Der Verkehr beruhigte sich zunehmend, Galerien kamen und gingen. So auch jene von Andreas Huber oder Kerstin Engholm, wobei Engholms Galerieräume zwar noch existieren, allerdings an eine Agentur vermietet werden. Dafür entstanden mit dem am Anfang der Gasse gelegenen Phileas – einer Organisation für zeitgenössische Kunst – und einem Projektraum der Galerie Charim neue Räume für Kunst. Und auch in der unteren Schleifmühlgasse – ab der Margaretenstraße Richtung Naschmarkt – öffneten neue Galerien, wie 2007 Michaela Stock oder 2009 die Künstlergalerie 12-14 contemporary.

"Alte Hasen" und neue Galerien

Vor sechs Jahren übernahm Barbara Pretterhofer die Räume der Videothek Alphaville neben der Galerie Georg Kargl und gründete die nun jüngste Galerie in der Gasse. Die Nachbarschaft zu den bereits etablierten Galerien lockte sie damals. "Es ist sinnvoll, sich zusammenzutun", sagt die Grazerin. Nicht nur, um gemeinsam Eröffnungen zu feiern, sondern auch für die Sammler, die oft von einer Galerie zur nächsten gehen. Konkurrenz gäbe es da aber keine, sagt Pretterhofer. Als sie 2013 unttld contemporary eröffnete, wurde sie gut aufgenommen, die Beziehung zu den anderen Galerien sei seitdem eine nachbarschaftliche, sie könne auch viel von den "alten Hasen" lernen. "Mehrmals die Woche treffen wir uns, um Post auszutauschen", sagt die Galeristin. Diese werde, seien es Rechnungen oder Kunstwerke, einfach in einer der Galerien abgegeben.

Generationenwechsel?

Werden in den nächsten 20 Jahren neue Galerien weitere Menschentrauben anlocken? Pretterhofer erzählt von leer stehenden Räumen, die momentan neben der Galerie Georg Kargl renoviert werden. "Wir rätseln schon, was hinter die geschlossenen Rollläden kommen soll."

Fragt man Christine König, wie es in den nächsten 20 Jahren weitergehen wird, glaubt sie, dass das Viertel weiterwachsen wird. Beim Stichwort Generationenwechsel entgegnet sie aber, dass sie nicht vorhabe, in Pension zu gehen. Dennoch hat sie es diesmal ihrem jungen Team überlassen, die aktuelle Jubiläumsschau zu organisieren. Jetzt soll die nächste Generation zeigen, was sie kann. (Katharina Rustler, 23.1.2020)