Will mit den Grünen "in aller Ruhe" über die Sicherungshaft verhandeln: Susanne Raab.

Foto: Robert Newald

Das Interview mit dem STANDARD ist an diesem Tag nur eines von mehreren. Im großzügigen Vorraum zum Büro von Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) bauen Kollegen vom Privatfernsehen Kameras auf, während die zweitjüngste Ressortverantwortliche drinnen Rede und Antwort steht.

Sie plane eine "Politik mit Hausverstand", reagiert die gebürtige Oberösterreicherin auf die Frage, warum sie sich – wie mehrfach betont – nicht als Feministin sieht. Für Frauen und ihre Rechte will sie sich dennoch engagieren.

STANDARD: In den ersten Tagen Ihres Amtes haben Sie sich zu den Angriffen auf Alma Zadić wie auch zum Vergleich Karoline Edtstadlers mit Marilyn Manson geäußert. Ist das in der Regierung Ihre Aufgabe?

Raab: Die Angriffe gegen Alma Zadić und die Beleidigung von Karoline Edtstadler habe ich widerwärtig empfunden. Mir ist es ein persönliches Anliegen, jegliche Form von Hass im Netz, sei es von rechter Seite, linker oder islamistisch motivierter Seite, zu bekämpfen.

STANDARD: Die Angriffe auf Alma Zadić sind rassistisch motiviert, gelten aber auch ihr als Frau. Was wollen Sie als Frauenministerin gegen den Hass auf Frauen unternehmen?

Raab: Sexismus, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, sexuelle Belästigung sind für Frauen in Österreich leider ein großes Thema. Jeder Fall ist einer zu viel. In meinen Tätigkeitsbereich fällt auch die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Mir ist wichtig, dass jede Frau weiß, welchen starken Rechtsschutz es für sie gibt. Und dass es für sie Schutz vor Gewalt gibt.

STANDARD: Für Lesben, und Schwule ist mehr Diskriminierungsschutz – Levelling-up – aber wieder nicht vorgesehen. Warum?

Raab: Es steht nicht im Regierungsprogramm.

STANDARD: Stichwort Gewaltschutz: Die Budgetmittel für die autonomen Frauenhäuser sind seit vielen Jahren nicht erhöht worden, es gab auch keine Inflationsanpassungen. Werden Sie sich für die Valorisierung einsetzen?

Raab: Wir haben uns im Regierungsprogramm auf eine Frauenbudgeterhöhung geeinigt. Klar ist: Wir werden viel in Gewaltschutz stecken, aber weiter Details werde ich mit dem Finanzminister klären.

STANDARD: Frauenhäuser und die Interventionsstellen gegen Gewalt kritisieren seit Jahren, dass gewalttätige Männer, gegen die Anzeigen wegen gefährlicher Drohung oder Körperverletzung laufen, zu lange auf freiem Fuß bleiben. Was meinen Sie dazu – immerhin verfolgt die ÖVP mit der Sicherungshaft in einem anderen Bereich sogar zusätzliche Haftpläne?

Raab: Gewaltschutz für Frauen hat für mich oberste Priorität. In puncto Sicherungshaft hat Innenminister Karl Nehammer bereits umfassend ausgeführt, dass wir eine Gesetzeslücke für Asylwerber verortet haben. Es gilt nun in aller Ruhe mit dem Koalitionspartner und mit Experten einen Vorschlag auszuarbeiten.

STANDARD: Gewalttätige Ehemänner und Lebensgefährten sind aber meist keine Asylwerber.

Raab: Wir haben uns im Regierungsprogramm auf eine Sicherungshaft für genau diese Personengruppe geeinigt. Ich werde im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten aber alles tun, um Frauen Schutz zu bieten und Zufluchtsorte für Frauen zu schaffen.

STANDARD: Sie wollen binnen 100 Tagen eine Dokumentationsstelle für den politischen Islam einrichten. Laut dem Soziologen Kenan Güngör gibt es aber ein begriffliches Problem: Als politisch würden sich auch liberale muslimische Vereine verstehen. Wie definieren Sie politischen Islam genau?

Raab: Das ist eine ideologische, extremistische Strömung, die unsere Gesellschaft, Demokratie, den Rechtsstaat und unsere verfassungsmäßigen Werte wie Gleichstellung von Mann und Frau unterwandern möchte. Vom Islam als Religion ist sie jedoch klar zu unterscheiden.

STANDARD: Ist das Kopftuchtragen muslimischer Frauen Ausdruck eines politischen Islam?

Raab: Bei Kindern ist das Kopftuch für mich ein ideologisches Symbol, kein religiöses. Beim Kopftuchverbot weiß ich viele muslimische Mütter auf meiner Seite.

STANDARD: Laut einer Umfrage des Salzburger Soziologen Wolfgang Aschauer meint die Hälfte der Österreicher, man solle Muslime in ihrer Religionsausübung einschränken. Haben wir ein Problem mit der Ablehnung von Muslimen?

Raab: Österreich ist ein religionsfreundlicher Staat. Es ist nicht wichtig, welche Religion oder Hautfarbe er hat, sondern was er in Österreich zu leisten bereit ist. Wir unterstützen Integration im Rahmen von Deutsch-, Wertekursen oder bei der Integration am Arbeitsmarkt. Aber wenn jemand Integrationsmaßnahmen verweigert, gibt es auch Sanktionen, wie Kürzungen der Sozialleistungen. (Irene Brickner, 23.1.2020)