Schutzmasken sind nun Pflicht.

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Wuhan/Berlin – Die chinesische Regierung hat die besonders schwer von der neuen Lungenkrankheit betroffene Millionenmetropole Wuhan praktisch abgeriegelt. Wie das chinesische Staatsfernsehen berichtete, sollten ab Donnerstagfrüh Flüge, Züge, Fähren und Fernbusse gestoppt werden. Bewohner Wuhans dürfen die zentralchinesische Stadt demnach nur noch unter Angabe besonderer Gründe verlassen.

Wie die "New York Times" berichtet, wurde das Reiseverbot am Donnerstagvormittag auf zwei weitere Städte ausgeweitet: Auch Huanggang und Ezhou werden nun abgeschottet. In den drei betroffenen Städten leben insgesamt 20 Millionen Menschen. Weniger später kündigten die Behörden die Abschottung einer vierten Stadt an: Chibi. Die Stadt hat etwa eine halbe Million Einwohner.

Strafen, wenn keine Schutzmaske getragen wird

Zudem wurden die Menschen in Wuhan aufgefordert, nur noch mit Schutzmasken in die Öffentlichkeit zu gehen. Wer in Hotels, Restaurants, Einkaufszentren oder Parks keine Maske trage, werde bestraft, berichtete die Zeitung "China Daily". Das Virus hat sich mittlerweile in großen Teilen Chinas und auch über die Landesgrenzen hinaus verbreitet.

Die Krankheit war bereits in Japan, Südkorea, Taiwan, Thailand, Singapur und den USA nachgewiesen worden. In den USA seien 16 Menschen bekannt, die mit jenem Mann in engem Kontakt waren, der sich mit dem Virus infiziert hatte, berichtet Fox News.

Weil immer mehr Menschen mit Grippesymptomen auf das neue Virus getestet werden, nimmt die Zahl der bestätigten Fälle weiter zu. Bis Donnerstagmittag wurde das Virus bei 620 Menschen nachgewiesen, wie die chinesische Gesundheitsbehörde berichtete. Darunter sind demnach mindestens 95 schwere Fälle. Die Zahl der Todesfälle stieg in der Nacht auf Donnerstag auf 17 – die Infizierten waren im Alter zwischen 48 und 89. Sie alle hätten aber bereits zuvor unter gesundheitlichen Probleme gelitten. Etwa 5.000 Menschen wurden unter Beobachtung gestellt. Experten des Imperial College London gehen davon aus, dass bis zum 18. Jänner bei etwa 4.000 Menschen in der chinesischen Stadt Wuhan Symptome aufgetreten sind.

"Keine Notlage"

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rief trotz der rasanten Zunahme von nachgewiesenen Infektionen mit dem neuen Virus vorerst keine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" aus. Der Notfallausschuss, der die WHO berät, sah dafür am Mittwoch keinen Anlass, wollte aber am Donnerstag erneut tagen. Der Notfallausschuss empfahl, den Informationsaustausch unter den Staaten weiter zu verbessern, wie der Vorsitzende Didier Houssin sagte. Allerdings seien sich die Mitglieder des Ausschusses in der Beurteilung der Situation nicht einig gewesen.

Mit einer offiziellen Notlage wären weitere konkrete Empfehlungen an Staaten verbunden gewesen, um die Ausbreitung über Grenzen hinweg möglichst einzudämmen. Zu solchen Empfehlungen kann beispielsweise gehören, dass Reisende auf Krankheitssymptome geprüft werden und dass medizinisches Personal besser geschützt wird.

Keine Fälle in Europa

In Europa gab es bis Mittwoch keine Nachweise. Die EU-Präventionsbehörde ECDC sprach von einem moderaten Risiko, dass der Erreger in die Europäische Union eingeschleppt werde. Noch sei unklar, wie schwerwiegend und wie tödlich die Krankheit sei, meinte ECDC-Direktorin Andrea Ammon.

Es wird vermutet, dass die Quelle des Coronavirus ein Wildtier auf einem Fischmarkt in Wuhan war. Auch Fledermäuse und Schlangen werden als Überträger angenommen. Es wurde nach Expertenmeinung zunächst vom Tier auf den Menschen übertragen, bevor das Virus sich an seinen neuen Wirt anpasste und es zu Übertragungen zwischen Menschen kam. Mit der Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest am kommenden Samstag wächst die Gefahr einer Ausbreitung der Viruskrankheit. Bei der größten jährlichen Reisewelle des Landes sind einige Hundert Millionen Chinesen unterwegs.

Eine Aufnahme aus Taiwan.
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Das neue Virus gehört zur selben Art wie das, das 2002/2003 die SARS-Pandemie ausgelöst hat. Damals kamen etwa 800 Menschen dadurch ums Leben. Das neue Virus soll nach derzeitigem Stand eine harmlosere Variante sein. SARS-Viren gehören zu den Coronaviren, die oft harmlose Erkrankungen wie Erkältungen verursachen. Allerdings gehören auch Erreger gefährlicher Atemwegskrankheiten wie MERS dazu.

Warten auf Impfstoff

Die Entwicklung eines Impfstoffes wird nach Einschätzung der globalen Impfallianz Gavi mindestens ein Jahr dauern. Noch seien die Gefahren durch das Coronavirus auch schwer abzuschätzen, sagte der Gavi-Geschäftsführer und Epidemiologe Seth Berkley in Berlin.

Das Virus wirkt sich auch auf den Aktienmarkt aus: Insbesondere die Reisebranche ist von dem Auftreten des Erregers betroffen. Chinas Flaggschiff-Fluggesellschaft Air China rutschte um 2,78 Prozent auf den tiefsten Stand seit mehr als acht Wochen ab. Aktien der australischen Qantas Airways fielen um 1,55 Prozent, während Japan Airlines um 1,4 Prozent fielen und auch die rivalisierende Fluggesellschaft ANA Holdings 1,17 Prozent nachgab. Air France strich zudem vorerst alle Direktverbindungen vor und nach Wuhan.

Neujahrsfeuerwerk abgesagt

Wegen der rasanten Ausbreitung des Virus hat die Stadt Peking Großveranstaltungen zur Feier des chinesischen Neujahrsfests am Wochenende abgesagt. Auch einige touristische Attraktionen würden geschlossen, erklärte die Verwaltung der chinesischen Hauptstadt am Donnerstag. Darunter auch der Kaiserpalast in Peking. (red, APA, dpa, 23.1.2020)