Hansi Hinterseer sitzt im charmanten, von Holz dominierten Café EcKing am Rande Kitzbühels und spielt Karten. Zweierschnapsen. An der Wand ist ein Schild angebracht: "Reserviert für Hansi". Felle zieren die Stühle, aber nicht die Stiefel des Schlagerstars. Es dauert nicht lange, und schon bitten Gäste um ein Foto mit dem prominenten Kitzbüheler, der solche Intermezzi gelassen und routiniert über sich ergehen lässt.

STANDARD: Tragen Sie die legendären Fellboots nicht mehr?

Hinterseer: Doch, ich hatte sie am Vormittag an, als es noch kälter war. Aber dann ist der Schnee patzig geworden, da habe ich mir gedacht, das wäre affig. Sie sind Kult. Ich habe sie 1975 in Italien gekauft, als sie modern geworden sind. Drei, vier Jahre später hat es sie nicht mehr gegeben. In New York habe ich Schaufensterpuppen mit meinen Schuhen gesehen, auch die No Angels sind mit Fellboots aufgetreten. Mir gefallen sie, und außerdem sind sie warm. Wem sie nicht gefallen, muss sie auch nicht anziehen.

STANDARD: Sie haben 1974 in Kitzbühel Ihren ersten von drei Slalomsiegen gefeiert. Woran erinnern Sie sich?

Hinterseer: Es hat alles zusammengepasst. Das war eine schöne Sache, ich habe es genossen. Dass es in Kitzbühel passierte, war umso schöner, ein Traum. Ich habe nach dem ersten Lauf geführt. Damals haben wir noch von unten nach oben besichtigt. Jeder wünscht dir alles Gute. Einerseits taugt es dir natürlich, andererseits möchtest du deine Ruhe haben. Dass es nachher nochmal funktioniert hat, war schon bärig.

STANDARD: Wie konnten Sie dem Druck in Ihrem Heimatort standhalten?

Hinterseer: Du stehst in der Früh auf und weißt, heute geht's. Du kannst aber nicht erklären, warum. Die besten Leistungen kommen zustande, wenn es spielerisch leicht geht. Das macht die Faszination Sport aus.

STANDARD: Sie waren damals ohne Helm, mit langen, kaum taillierten Skiern zwischen starren Stangen unterwegs. War das die gute alte Zeit?

Hinterseer: Das war damals das Beste vom Besten. Die Skier waren 2,05 Meter lang. Manny Pranger hat 2006 mit 1,6 Meter langen Skiern gewonnen. Auf der gleichen Distanz standen dabei 20 Tore weniger als 1974. Wir haben uns schnell bewegen und umsteigen müssen.

STANDARD: Ein Jahr später haben Sie in Schladming den großen Ingemar Stenmark geschlagen. Wie war das möglich?

Hinterseer: Ich war ein paar Mal vor ihm, ein paar Mal hinter ihm. Stenmark war gewaltig, er war unglaublich gut. Es gab aber auch Piero Gros, Gustav Thöni und Christian Neureuther, das waren schon ein paar Kapazunder.

STANDARD: Sie sind auf der Seidlalm und damit auf der Streif aufgewachsen. Eine idyllische Kindheit?

Hinterseer: Das war die schönste Zeit. Damals hat es noch keine Straße rauf gegeben. Im Frühling bin ich manchmal mit den Skiern über die noch feuchte Wiese von der Bergstation zur Seidlalm runtergefahren, auf den Schneeflecken habe ich Schwung geholt. Meistens ist alles gutgegangen.

Hansi Hinterseer über die vielen Verletzten im Skisport: "So kann es nicht weitergehen. Das Problem ist, dass wir das seit vielen Jahren diskutieren. Keiner tut etwas."
Foto: APA/GEPA pictures/ Matic Klansek

STANDARD: Wie darf man sich die Ausnahmen vorstellen?

Hinterseer: Einmal hat mich die Großmutter Würstel holen geschickt. Ich war neun, und bin kurz vor dem Trainingslauf mit der Gondel und 30 Paar Würsteln raufgefahren. Sie haben mich vor den Rennläufern fahren lassen. Ich bin die Mausefalle runtergeschossen, im Steilhang hat es mir die Skier auseinandergezogen, ich überschlug mich, der Rucksack ging auf, und die Frankfurter haben sich selbstständig gemacht. Mit der Nummer eins kam Jean-Claude Killy, sie haben ihn aufgehalten, und er hat mir beim Würstelklauben geholfen.

STANDARD: Haben Sie damals den historischen Moment auf der Seidlalm live miterlebt?

Hinterseer: Als der Skiweltcup 1966 auf der Seidlalm erfunden wurde, habe ich dort gerade Schulaufgaben gemacht. Sieben Jahre später habe ich den Riesenslalomweltcup gewonnen.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Weltcups?

Hinterseer: Der Weltcup ist eine tolle Sache. Von der Terminisierung her ist er allerdings teilweise fragwürdig. Aber klar, gewisse Herrschaften wollen Rennen, wollen auch Geld machen. Teilweise auf Kosten der Läufer. Schade ist, dass der Winter vom Interesse her nach Schladming vorbei ist, wenn nicht Olympia oder eine Weltmeisterschaft stattfindet.

STANDARD: Müssen die vielen Verletzungen, insbesondere Kreuzbandrisse, Anlass zur Sorge geben?

Hinterseer: So kann es nicht weitergehen. Das Problem ist, dass wir das seit vielen Jahren diskutieren. Keiner tut etwas. Man müsste einen rigorosen Schnitt machen. Es betrifft auch viele Jugendliche, sie haben dieselben Verletzungen. Das kann es doch nicht sein. Material und Setup sind so giftig, dass es für den Körper nicht mehr passt. Wie kann es sein, dass ein Manfred Mölgg, der eigentlich ein Felsen ist, einen Reißer macht und alles hin ist, obwohl er nicht einmal gekugelt ist? Das ist nicht gut für den Sport.

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Der echte Hansi steht rechts, der andere bei Madame Tussauds.
Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

STANDARD: Alternativ kann man ja Sänger werden. Haben Sie je von einer Karriere in der Unterhaltungsbranche geträumt?

Hinterseer: Nein, daran hatte ich nie gedacht. Ich bin wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Umso schöner ist, dass es funktioniert. Ich habe eine Gaudi auf der Bühne. Es ist so schön, wenn Leute ein Autogramm oder ein Foto wollen. Dann macht man etwas richtig. Jeder von uns hat im Leben verschiedene Möglichkeiten. Die Frage ist immer: Traust du dich drüber oder nicht? Ich hatte nichts zu verlieren, mehr als auf die Nase fallen konnte ich nicht. Vor der Kamera hatte ich nie ein Problem.

STANDARD: Wie würden Sie einem Freund elektronischer Musik die Faszination Schlagermusik erklären?

Hinterseer: Braucht es nicht. Jeder, der auf der Bühne steht, egal welche Musik er macht, Klassik, Jazz, Hip-Hop, was auch immer, und Erfolg hat, der macht irgendetwas richtig. Gott sei Dank können wir uns die Musik aussuchen. Wenn jeder den gleichen Geschmack hätte, wäre das eine Katastrophe. Musik ist eine wunderbare Möglichkeit, Menschen Freude zu vermitteln. Und Schlager versteht jeder.

STANDARD: Sie haben zwischen 1996 und 2012 bei elf Heimatfilmen die Hauptrolle gespielt. Hatten Sie keine Bedenken, dass diese nicht mehr zeitgemäß wären?

Hinterseer: Es war gewagt, in der Zeit Heimatschinken zu zeigen. Wer will denn das sehen? Spinnts ihr? Mir hat das gefallen, Tiere, Natur, Berge, da bin ich daheim. Man darf nicht vergessen, dass es in Deutschland über 65.000 ausgebildete Schauspieler gibt. Und dann kommt der Hinterseer daher, Ski Heil, und kriegt eine Hauptrolle. Das war nicht selbstverständlich. Die Einschaltquoten waren super. Das hat manchen nicht gepasst.

Hansi Hinterseer, der Entertainer.
Foto: APA/dpa/Patrick Seeger

STANDARD: Bisweilen ist es von Heimatgefühlen nicht weit zu Ausgrenzung und Antipathie Fremden gegenüber. Haben Sie eine Idee, wie man dem gegensteuern kann?

Hinterseer: Musik und Sport bringen die Leute auf der ganzen Welt zusammen. Es wäre oft so einfach. Aber der Mensch hat mit dem Frieden seine Probleme, hat nichts aus der Geschichte gelernt.

STANDARD: Gab es je Versuche von Parteien, Sie zu vereinnahmen, indem Sie auf Veranstaltungen auftreten sollten?

Hinterseer: Sie wissen, dass ich nicht an Politik interessiert bin. Ich habe meine Meinung, habe mich aber immer rausgehalten und werde das weiter tun.

STANDARD: Stattdessen waren Sie lange als ORF-Ko-Kommentator tätig. Warum hat sich das Engagement plötzlich zerschlagen?

Hinterseer: 26 Jahre. Ich wollte es noch ein Jahr machen, weil es sich danach nicht mehr mit den Tourneen ausgegangen wäre. Das war auch ausgemacht. Eine Woche vor Sölden haben sie mich dann aber angerufen und mich informiert, dass sie auf meine Dienste verzichten.

STANDARD: Woran arbeiten Sie aktuell?

Hinterseer: Wir machen im Zillertal wieder eine Sendung für heuer. Auftritte sind auch geplant. Nächstes Jahr gehe ich vielleicht wieder auf Tournee. Zwei neue CDs werden produziert. Es gibt viel zu tun, aber ich muss nicht bei jedem roten Teppich dabei sein.

STANDARD: Trifft die Weißwurstparty Ihren Geschmack?

Hinterseer: Da war ich noch nie, taugt mir einfach nicht.

STANDARD: Das Image des großen Kitzbühelers Toni Sailer hat posthum in der #MeToo-Debatte – gelinde ausgedrückt – Kratzer abbekommen. Ihre Meinung dazu?

Hinterseer: Ich finde es nicht gut, etwas zu schreiben, wenn jemand nicht mehr da ist. Man soll ihn in Ruhe liegen lassen. Er war zu meiner Zeit Cheftrainer, ein lässiger Typ, er war gut, hatte ein Gefühl, was für Läufer gut ist. Er hat viel für Österreich gemacht. (Thomas Hirner aus Kitzbühel, 23.1.2020)