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Koniks geben eine Ahnung davon, wie es in Europa einmal aussah.
Foto: REUTERS/Vasily Fedosenko

Das nahe Amsterdam gelegene Naturentwicklungsgebiet Oostvaardersplassen ist Schauplatz eines ökologischen Langzeitexperiments: Her leben nicht nur die – zumeist eher kleinen – Wildtiere, die man selbst im dichtbesiedelten Europa noch in vielen Regionen antrifft. Zusätzlich hat man in diesem Feuchtgebiet "urtümliche" Haustierrassen angesiedelt und sich selbst überlassen.

Diese sollen die Funktion ausgestorbener Großtierarten übernehmen: Koniks als Entsprechung des Tarpans, des europäischen Wildpferds, und Heckrinder als Ersatz für Auerochsen. Auf diese Weise soll ein Ökosystem rekonstruiert werden, das den natürlichen europäischen Bedingungen besser entspricht als das, was tatsächlich davon übriggeblieben ist.

Die Studie

Aber auch Rothirsche gibt es hier, und die haben Forscher des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Reichsuniversität Groningen nun zum Gegenstand einer Studie gemacht. Sie interessierten sich dafür, welchen Einfluss die Kadaver toter Großtiere wie Hirsche aufs Ökosystem haben. Die Ergebnisse sind im Fachjournal "Plos One" erschienen.

Dazu erfassten sie zum einen das Vorkommen von Insektenarten auf Flächen mit und ohne Kadaver, zum anderen das Pflanzenwachstum in unmittelbarer Nähe zum Kadaver. Dabei fanden sie, dass die Kadaver nicht nur vielen Aas fressenden Insekten wie Fliegen und Aaskäfern direkt zugutekommen, sie wirken sich langfristig auch positiv auf das Pflanzenwachstum aus.

Dieser tote Hirsch wird seiner Umgebung monatelang zugute kommen.
Foto: (red, 22. 1. 2020)

Pflanzen wie etwa die Krause Distel (Carduus crispus) wurden in der Nähe der Kadaver über fünfmal so groß wie an anderen Standorten, was wiederum die Zahl pflanzenfressender Insekten und ihrer Räuber auf das Vierfache erhöhte. "Dass Tierkadaver für Aasfresser wichtig sind, überrascht zunächst wenig", sagt Studienleiter Roel van Klink. "Dass sie allerdings noch nach fünf Monaten einen solch großen Einfluss auf die gesamte Nahrungskette vor Ort haben, und dies selbst auf so nährstoffreichen Böden wie in den Oostvaardersplassen, hätte ich nicht erwartet."

Die Ergebnisse werfen laut iDiv ein neues Licht auf die Rolle von Tierkadavern im Ökosystem: "Totholz in unseren Wäldern ist von der Bevölkerung mittlerweile weitgehend akzeptiert, was vielen Arten zugutekommt", sagt Chris Smit von der Univ Groningen. "Der Anblick toter Tiere in der Natur ist jedoch oft noch ein gesellschaftliches Tabu. Das ist schade angesichts ihres wichtigen Wertes für die Ökosysteme und Biodiversität". Da auch die EU-Gesetzen erschweren, die Kadaver großer Tiere in Naturschutzgebieten zu belassen, empfehlen die Studienautoren, diese Regelungen für Naturschutzgebiete zu lockern. (red, 23. 1. 2020)

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Auch Heckrinder fügen sich gut in die Wildnis ein.
Foto: dpa/Carmen Jaspersen