Regisseurin Martina Gredler inszeniert exaltierte Posen.

Foto: Alexander Gotter

Die Wiener SPÖ hat um 600 Millionen eine Müllfabrik gebaut, die Altstoffe zu Baustoffen recyceln soll. Jedoch ist sie, so klagen die Arbeiter, eher ein klapperndes und staubendes Inferno. Geld soll zudem versickert sein, möglicherweise hat es über Umwege in Parteikassen gefunden. Entwarnung, das ist kein neuer Skandal wie der esoterische Schutzring um das Krankenhaus Nord, sondern eine Folge aus Peter Turrinis und Rudi Pallas TV-Vierteiler Die Arbeitersaga (1985-1991) zum Zustand von Nation und Sozialdemokratie.

Im Wiener Werk X lebt die Satire derzeit als gleichnamiger Theaterabend auf. Im Dezember feierten die ersten beiden Folgen Premiere, nun laufen die Teile drei und vier gemeinsam. Martina Gredler hat sich dabei des Konflikts um die Müllfabrik angenommen und schickt ihr Frauenensemble eine Stunde lang als queeren Kraftmeier über die Bühne, karikiert den zuständigen Sanitärstadtrat mit extrabreiten Schultern und dessen Pressesprecher als Muckibudenafficionado. Korruption sieht nicht nur herrlich lächerlich aus, sondern sie klingt auch so, Mackertöne wohin man hört. Gredler nimmt mit der Macht zugleich Machos auf die Schippe.

Ein Clown macht Ernst

Dem so weit so gut für die Bühne adaptierten großen Spaß mangelt es aber auch nicht an sozialpolitischem Ernst, wenn ein Clownconferencier zwischen den Szenen alle möglichen Arten von Gender, Wohnen und Einkommen vom Stapel lässt. Es gibt je ganz schön viele und darunter tragische. Ein feministischer Monolog von Johanna Dohnal erntet Zwischenapplaus, großartig auch Jana Schulz’ Akkordeonmusik in elektronischer Schräglage. Apropos schief: Garniert wird mit Zitaten aus dem letzten SPÖ-Wahlkampf.

In Bernd Liepold-Mossers zweiter Hälfte des Abends geht es nicht weniger schrill zu. Das Ensemble wechselt zwar, doch für die Ausstattung zeichnet wiederum Thea Hoffmann-Axthelm verantwortlich. Der Mär von Österreich als Skination geschuldet, schnallen sie und der Regisseur die Darsteller in Skioveralls auf der steilen Bühne fest. Sagt die Truppe im Chor "Proletariat", hebt es sie in der Abfahrtshocke kurz aus, hopp.

Zwar schwächelt dieser Teil szenisch über Strecken und tendiert zum Durcheinander, doch der Themenmix aus Migration, Integration, Proletariat und Konsumkritik geht anregend über Floskeln hinaus. Letztlich erhebt das Ensemble eigene Forderungen vom Maximaleinkommen bis zur veganen Wurst an jedem Würstelstand. Zeitgemäß, ernst, trotzdem heiter – gelungen! (wurm, 23.1.2020)