Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser wähnt die SPÖ nach der Talfahrt der letzten Monate wieder auf dem Weg nach oben. Seine Partei fasse langsam Tritt.

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Peter Kaiser ist kein Marktschreier, der studierte Soziologe formuliert bedacht, wiegt die Worte mehrmals ab, sagt kaum einen Satz aus der Hüfte heraus. Der schnelle Sager ist ihm ziemlich zuwider. Das wirkt bisweilen spröde, etwas professoral. In Wahlkämpfen kann er jedoch, was ihm kaum jemand zutraut, auch "Wuchteln" schieben und Schmäh führen. Nach der erfolgreichen Landtagswahl 2018 hat er sich neben dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil als bestimmender Faktor in der SPÖ etabliert. Kaiser zählt zu den gewichtigen Unterstützern von Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner.

STANDARD: Die SPÖ rangiert in Umfragen nur noch zwischen 16 und 17 Prozent, manche wähnen bereits die Grünen vorn. Was läuft da an dem vor drei Monaten gestarteten Erneuerungsprozess der SPÖ eigentlich falsch?

Kaiser: Ich glaube, dass eine gewisse Anfangseuphorie einer neuen Regierung immer zulasten der Opposition geht. Das ist natürlich nicht angenehm, aber ich würde das nicht als einen festgeschriebenen Zustand werten. Ich denke, die SPÖ fasst langsam Tritt. Es gibt ein paar sehr positive Zeichen. Ich habe das Gefühl, dass Pamela Rendi-Wagner, auch zuletzt in Interviews, die Sache mehr und mehr strukturiert in den Griff bekommt. Und wenn ich mir anschaue, wie die grünen Exponenten der Regierung zum Beispiel beim Ibiza-Untersuchungsausschuss eine 180-Grad-Kehrtwendung hinlegen, dann denke ich, dass bei manchem die Erkenntnis reifen wird, dass die Sozialdemokratie zwar auch ihre Fehler gemacht hat, aber dass man sich auf ihre Positionen verlassen kann.

STANDARD: Aber es ist doch beachtlich, wie schnell die österreichische Sozialdemokratie in die Niederungen der deutschen SPD abgesunken ist. Welche Parallelen können Sie da erkennen?

Kaiser: Das, was ich derzeit am stärksten fühle, ist diese medial genährte Selffulfilling Prophecy. Da wird etwas prognostiziert und dann selbst belegt. Es ist mir klar, wir haben Fehler gemacht, aber wir werden derzeit unter unserem Wert beurteilt. Es wird auch oft mit zweierlei Maß gemessen. Ich habe zum Beispiel in der Frage des Kopftuchverbots Sebastian Kurz zitiert, als er noch Integrationsstaatssekretär war. Damals hat er im ORF wörtlich gemeint, es gehe nicht immer um die Frage Kopftuch oder Minarett oder Burka. Das seien populistische Themen und lenke nur ab von einer vernünftigen Integration. Aber wie bei einem Clearingprozess sind diese Hinweise auf Kurz in weiten Teilen der Medien aus meinem Statement verschwunden. Ich habe den Eindruck, es wird von einigen Medien ein Schutzschild um Kurz aufgebaut. Er ist der Darling der Medien, aber auch bei einem Darling steckt immer massives Interesse jener dahinter, die den Schutzschild aufrechterhalten. Man mag diese Regierung, weil sie gewisse Interessen umsetzt. Aber natürlich: Wir müssen selbst einfach besser werden.

STANDARD: Was heißt "besser werden"?

Kaiser: In unseren Positionen konkreter. Wir sehen uns mit einem neoliberalen Egoismus konfrontiert. Dem gilt es jenes gesellschaftspolitische Modell gegenüberzustellen, dem ich mein ganzes politisches Leben verschreibe: die soziale Demokratie, die niemanden alleinlässt, nur weil er dem Leistungsprinzip nicht entspricht. Es geht um einen Grundhumanismus in unserer Gesellschaft, um den sozialstaatlichen Grundkonsens, der äußerst gefährdet ist. Ich glaube, dass wir schneller Fuß fassen werden, als viele denken. Einfach weil wir gebraucht werden. Die entscheidende künftige politische Auseinandersetzung wird um den Sozialstaat geführt werden.

STANDARD: Die SPÖ starrt momentan – so der Eindruck – wie paralysiert auf die Landtagswahlen im Burgenland und in Wien. Man traut sich nicht, sich zu rühren, bis die beiden Wahlen vorüber sind.

Kaiser: Dass uns die Wahlen im Burgenland und in Wien besonders wichtig sind, ist evident. Wir werden jetzt im Burgenland ein gutes Ergebnis einfahren. Das Burgenland wird zeigen, dass wir sehr wohl in der Lage sind, Wahlen zu gewinnen. Das wird auch die SPÖ-Bundespolitik stärken.

STANDARD: Wie lange wird die türkis-grüne Regierung halten? Bei all den Disparitäten?

Kaiser: Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre, und davon ist auszugehen. Dass sich die Grünen so schnell in fundamentalen Bereichen ändern, überrascht natürlich. Auch die linkischen Versuche, dies zu begründen. (Walter Müller, 24.1.2020)