US-Filmer Terrence Malick bezieht sich frei auf vorhandene Literatur. August Diehl (li.) als Jägerstätter (mit Bruno Ganz).

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Der Radegunder Franz Jägerstätter handelte nach den Prämissen seines Gewissens.

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Der kleine oberösterreichische Ort Sankt Radegund im Innviertel tauchte in den letzten Jahren ab und zu in unerwartetem Kontext auf. Denn der US-Kinomystiker Terrence Malick arbeitete an einem Film, der den Arbeitstitel Radegund trug. Einem Film über Franz Jägerstätter, den bekanntesten Radegunder. Ein Märtyer des Widerstands gegen den Nationalsozialismus, 1943 hingerichtet, weil er nicht für Hitlerdeutschland in den Krieg ziehen wollte.

2007 wurde Jägerstätter von der katholischen Kirche seliggesprochen, aber von einer weitverbreiteten Verehrung kann keine Rede sein. Franz Jägerstätter wird in Österreich nicht mehr totgeschwiegen, wie es nach dem Krieg eine Zeitlang versucht wurde. Aber es sind nach wie vor überschaubare Kreise, die ihn als beispielhaften Menschen im öffentlichen Gedächtnis zu halten versuchen.

"Antichristliche Volksgemeinschaft"

Axel Cortis Film Der Fall Jägerstätter (1973), mit Kurt Weinzierl in der Hauptrolle, kann als ein erster filmischer Versuch gelten, die Entscheidung von Jägerstätter nachzuvollziehen und ihn einem breiteren Fernsehpublikum näherzubringen. Allerdings lagen damals wichtige Forschungsergebnisse noch nicht vor, und auch damit mag es zu tun haben, dass sich zum Beispiel im Wikipedia-Eintrag zu Cortis Film die folgende, mindestens missverständliche Formulierung findet: "Jägerstätter steht mit seiner Entscheidung allein gegen seine Familie."

Er stand aber eben nicht allein, sondern in einem intensiven Austausch, und seine Frau Franziska, mit der ihn eine äußerst starke Beziehung verband, trug seine Entscheidung mit. Die am besten dokumentierte Darstellung des Falls Jägerstätter stammt von der oberösterreichischen Historikerin Erna Putz. Sie erschien 1985 unter dem Titel Besser die Hände als der Wille gefesselt. Für einen einfachen Bauern sind von Jägerstätter vergleichsweise viele Dokumente überliefert. Er las viel, tauschte sich auch mit seiner Frau über politische Fragen aus. Schon allein dadurch geriet er in Distanz zu den anderen Radegundern, die in der Mehrzahl keine Nazis waren, aber irgendwie durch die schwere Zeit kommen wollten.

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Jägerstätter sah im Nationalsozialismus eine "antichristliche Volksgemeinschaft", aus der er sich durch Treue zu "unserem lieben Heiland" ausnehmen wollte. Immer wieder stellte er "diese schlimme Menschenfurcht" gegen eine Gottesnähe, die intensiv mit Jenseitshoffnungen und Jesus-Identifikation verbunden war. Er war aber auch Beobachter: In Ybbs, wo es eine "sehr große Irrenanstalt" gab, "sollen sich sehr traurige Dinge abgespielt haben". Was die Nazis "Euthanasie" nannten, sprach sich herum.

1942/43, als Jägerstätter schon jederzeit mit der Einberufung rechnen musste und sich auf seinen Widerstandsakt geistig vorbereitete, notierte er: "Welcher Katholik getraut sich, diese Raubzüge, die Deutschland schon in mehreren Ländern unternommen hat und noch immer weiterführt, für einen gerechten und heiligen Krieg zu erklären?" Die Anspielung auf christliche Rationalisierungen der jesuanischen Gewaltlosigkeit zeugt davon, dass er immer wieder mögliche Gegenargumente gegen seinen einsamen Entschluss in Betracht zog. Aber am Ende war der Glaube für ihn Orientierung genug, um gegenüber der Kriegs- und Vernichtungspolitik, die er damals schon als solche durchschaute, einen klaren Standpunkt zu beziehen.

Kontakt zu anderen

Bei Putz wird nicht zuletzt deutlich, dass Jägerstätter zwar eine einsame Entscheidung traf, dass er aber nicht allein war. Er hatte Kontakt zu anderen Verweigerern, er wusste auch von Mitgliedern der Zeugen Jehovas, die für ihre Überzeugung ebenfalls starben.

Kirchliche Amtsträger versuchten zu vermitteln, es hätte die Möglichkeit gegeben, zum Sanitätsdienst auszuweichen, aber auch das schlug Jägerstätter aus. Er traf eine Gewissensentscheidung, die weit über das hinausging, was sich anständige Menschen damals trauten.

Schon 1964, als in Österreich noch der Kameradschaftsbund die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg dominierte, erschien in Amerika ein Buch über Jägerstätter von dem Soziologen Gordon C. Zahn, das für Malick, der sich wie immer mit Äußerungen zurückhält, den ersten Bezugspunkt ausgemacht haben könnte. Aus Radegund wurde schließlich Einverborgenes Leben. Eine streng an dokumentierten Tatsachen orientierte Darstellung wird man von Malick allerdings nicht erwarten. (Bert Rebhandl, 24.1.2020)