Kurz in Davos.

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Davos – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat in der Klimadebatte vor einem Comeback "gescheiterter" kollektivistischer Ideen gewarnt, die nur "Leid, Hunger und unglaubliches Elend" gebracht hätten. In einer Rede beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos sprach sich Kurz am Freitag stattdessen für eine Verbindung von wirtschaftsliberaler Politik mit Klimaschutz aus, wobei er auf Innovationen setzt. Zeitgleich führte die Klimaaktivistin Greta Thunberg, die am Dienstag der WEF-Elite die Leviten gelesen hatte, eine Protestveranstaltung durch Davos.

Kritisch äußerte sich Kurz auch zur Idee einer "Postwachstumsgesellschaft", in der Zufriedenheit mehr zählen solle als Wirtschaftswachstum. "Zufriedenheit zahlt keine Pensionen", sagte Kurz. Wenn es kein Wachstum gebe und Europa nicht wettbewerbsfähig bleibe, "dann gute Nacht Sozialstaat und gute Nacht europäische Errungenschaften".

Kurz fordert Rücksicht auf Unternehmen

Dabei hatte der ÖVP-Chef zu Beginn seiner Rede optimistische Töne angeschlagen und eine Lanze für den Fortschrittsglauben gebrochen. Dass sich die Welt in den vergangenen Jahrzehnten "in allen Bereichen zum Guten verändert" habe, die Lebenserwartung gestiegen und die Kindersterblichkeit massiv zurückgegangen sei, sei dem Fortschritt und der Innovation zu verdanken. Die Waldbrände, Überschwemmungen und Naturkatastrophen zeigten aber "sehr deutlich, wo die Herausforderungen liegen". Der "Schutz der Schöpfung" sei "etwas Zentrales", denn: "Es nutzt der Fortschritt nichts, wenn wir gleichzeitig unseren Planeten zerstören."

Dennoch solle auf die Unternehmen Rücksicht genommen werden. "Wir werden das Klima nicht retten, indem wir die europäische Industrie und Wirtschaft bekämpfen und schädigen", warnte der Kanzler. Kurz sprach sich auch dagegen aus, "von heute auf morgen" das Verhalten der Menschen ändern zu wollen. Es werde weiterhin Menschen geben, die das Auto für den Weg zur Arbeit benötigen, und auch Menschen, "die fliegen müssen oder wollen". Doch wie man das tue, solle sich verändern und "deutlich nachhaltiger werden", sagte er in Anspielung auf E-Mobilität.

Kurz bekannte sich in seiner Rede auch zum Freihandel und äußerte die Hoffnung, "dass es gelingt, die Verhandlungen mit den USA zeitnah positiv zu beenden". Skepsis ließ er aber – in offenkundiger Anspielung auf das Mercosur-Abkommen – bei der Liberalisierung von Agrarhandel anklingen. "Trotz der Vorteile globaler Wirtschaft muss nicht jedes Konsumgut über die halbe Welt transportiert werden", sagte er. Gerade Lebensmittel können auch regional und saisonal konsumiert werden.

"Auf Druck der Grünen"

Österreich wolle sich auf europäischer Ebene einbringen, lobte der Kanzler den Green Deal von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. "Ich halte es für den absolut richtigen Weg, dass wir Kostenwahrheit für CO2-Emissionen schaffen", sagte er. Dies müsse aber "verbunden sein mit CO2-Zöllen", damit nicht die europäische Wirtschaft geschädigt und Billigprodukte aus Drittstaaten importiert werden.

In Österreich habe sich die neue Bundesregierung "auf Druck der Grünen" ein "ambitioniertes" Klimaprogramm vorgenommen, sagte Kurz unter Verweis auf die Ziele für das Jahr 2030 (100 Prozent erneuerbare Energie) und 2040 (vollkommene Klimaneutralität). Die neue österreichische Regierung könnte für Deutschland eine gewisse Vorbildfunktion haben, sagte Kurz. Er rechnet nämlich damit, dass es nach der nächsten Bundestagswahl in Deutschland eine schwarz-grüne Bundesregierung geben wird.

Türkis-grünes Modell für Deutschland?

Ein neue Wahlumfrage bestätigt diese Annahme: Die deutschen Grünen sind demnach bis auf zwei Prozentpunkte an die Union herangerückt. In dem am Freitag im ARD-"Morgenmagazin" veröffentlichten "Deutschlandtrend" kamen CDU und CSU gemeinsam auf 26 Prozent. Die Grünen legten einen Prozentpunkt zu und lagen mit 24 Prozent knapp dahinter. Die SPD konnte einen Punkt dazugewinnen und zog mit der AfD gleich, beide kamen auf 14 Prozent. FDP und Linke lagen beide bei acht Prozent.

Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, kämen Union und Grüne dieser Umfrage zufolge zusammen auf 50 Prozent. Union und SPD, die derzeit in der großen Koalition zusammen regieren, hätten mit 40 Prozent keine Mehrheit mehr. In anderen Umfragen der vergangenen Tage war der Abstand zwischen Union und Grünen mit vier bis sieben Prozentpunkten deutlicher. (APA, red, 24.1.2020)