Das chinesische Neujahrsfest steht im Zeichen der Ratte und der Atemmasken – aus Angst vor dem Virus.

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Der Umgang mit Seuchen stellt jede Regierung vor große Herausforderungen. Dem Recht der Bevölkerung auf Information nachzukommen und gleichzeitig Panik zu vermeiden ist ein Drahtseilakt. Bei autoritären Regierungen aber wie der chinesischen, die auch in Nichtkrisenzeiten den Informationsfluss zu kontrollieren versuchen, treten in solchen Phasen die inneren Widersprüche offen hervor.

An die 900 Infizierte, 26 Tote – das ist die jüngste Bilanz des Coronavirus vom Freitag. Da die Symptome der Wuhan-Grippe leicht und damit kaum von einer herkömmlichen Grippe zu unterscheiden sind, könnten die Zahlen erheblich höher sein. Ein Professor der Hongkonger Universität geht von 6000 Infizierten aus.

Die chinesischen Behörden reagierten zuerst nicht, dann umgehend und drastisch. Millionenstädte wie Wuhan, Huanggang, Ezhou, Chibi, Xiantao, Qianjiang, Zhijiang und Lichuan sind mittlerweile abgeriegelt, Flug- Bus- und Zugverbindungen gestrichen.

Reise absagen

Das trifft viele Chinesen gerade empfindlich, denn heute beginnt das Frühlingsfest. Traditionell verbringen die Chinesen diese Woche im Kreis der Familie. Millionen Wanderarbeiter zieht es in ihre Heimatdörfer zurück, was zu massiven Reisebewegungen führt. Schon Anfang Jänner waren bereits 300 Millionen Zugfahrkarten verkauft. An den Bahnhöfen von Wuhan kam es deswegen vereinzelt zu Protesten derer, die nun die Stadt nicht mehr verlassen können. Nur mit dem Auto kann man raus. An den Ausfallstraßen stehen jetzt Polizisten und messen die Temperatur der Reisenden.

Die chinesische Regierung will durch diese drastischen Maßnahmen die Ausbreitung aufhalten. Die WHO lobte die Regierung dafür. In den Abendnachrichten im Staatsfernsehen am Donnerstag dagegen wurde die Seuche mit keinem Wort erwähnt. Der staatliche Fernsehsender CCTV zeigte in seinen Abendnachrichten fröhliche Feierbilder und die Neujahrsansprache des Präsidenten Xi Jinpings, er verlor kein Wort über das Virus.

Während das Coronavirus in zahlreichen Ländern der Welt die Schlagzeilen bestimmt, war es in den chinesischen Medien eher Randthema. Der Staatszeitung People’s Daily war das Virus keine Erwähnung auf ersten Seite wert. Erst auf Seite fünf der Donnerstagsausgabe war etwas über die Seuche zu lesen. Dort fand sich ein etwas pathetisch anmutender Appell: "Je schwieriger die Situation, desto einiger das chinesische Volk. Das wurde immer wieder von der Geschichte und der Realität bewiesen." Und die parteinahe Zeitung Global Times dankte den Bürgern von Wuhan für ihre Opferbereitschaft.

Massive Zensur

Im chinesischen Internet ist es verhältnismäßig ruhig. Das dürfte an der massiven Zensur der Behörden liegen: Die "Verbreitung von Gerüchten", die öfter als 500-mal geteilt und von mehr als 5000 Menschen gelesen werden, ist seit 2013 strafbar. Mittlerweile lässt die Regierung auch Nachrichten über das Virus löschen. Viele Chinesen nehmen die Situation pragmatisch: Auf Taobao, dem größten chinesischen Onlineshoppingdienst, wurden 80 Millionen Atemschutzmasken verkauft.

Peking hat aus dem Debakel der Sars-Pandemie gelernt. Als die Lungenkrankheit Ende 2002 ausbrach, verheimlichte die Regierung es monatelang. Dieses Mal kommunizierte die chinesische Führung offensiver – nach außen, nicht unbedingt nach innen mit den eigenen Bürgern. (Philipp Mattheis, 24.1.2020)