Bernhard Seikovits (li.) im Dress der Vienna Vikings.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Sandro Platzgummer während des Final-Spieles um die Austrian Bowl

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Bradenton/Wien – Mag sein, es gibt in der Sportwelt fetzigere Namen als "International Player Pathway Program". Aber dank dieses IPP könnte demnächst ein Österreicher ein Dress in der National Football League (NFL) tragen. Er wäre der erste seit den 1980ern. Mit dem Programm will die nordamerikanische Milliardenliga Talente aus aller Welt finden, die keine US-Universität besucht haben und den Myriaden Profiscouts damit entgangen sind. Die 22-jährigen Sandro Platzgummer und Bernhard Seikovits zählen zu den neun Mann, die am Donnerstag in ein etwa zehnwöchiges Trainingslager nach Florida flogen. Vier davon werden am Ende bei einem NFL-Team unterkommen.

Sandro Platzgummer

Vorweg: Einen Vertrag zu unterschreiben heißt nicht gleich, auch zu spielen. Die Liga hat für die Absolventen des IPP eine Sonderregelung geschaffen. Vier zuvor ausgeloste Teams bekommen in ihrem Zehn-Mann-Trainingskader einen Extraplatz, können also ohne Bedenken einen Spieler verpflichten.

Auf dem Radar

In den regulären 53-Mann-Matchkader dürfen die IPP-Profis aber nur, wenn ihr Team auf den Sonderplatz verzichtet hat. Das geschah in dem seit 2017 jährlich durchgeführten Programm bisher einmal, im September feierte der Deutsche Jakob Johnson so sein Debüt für die New England Patriots. Deren Cheftrainer Bill Belichick gestand danach: "Er war nicht auf unserem Radar. Ich glaube nicht, dass wir ihn jemals verpflichtet hätten."

Jeder der neun Neuen wäre, no na, gerne der Nächste. Neben exzellenten Leistungen in den kommenden Monaten bräuchten Platzgummer und Seikovits am Ende einen Abnehmer, der Bedarf auf ihrer jeweiligen Position hat. Platzgummer spielt für die Raiders Tirol Running Back, Seikovits wird bei den Vienna Vikings als Wide Receiver eingesetzt, im IPP ist er aber als Tight End gelistet. Also hieß die Hausübung nach dem Auswahlverfahren im Oktober: Mahlzeit. Der Wiener hat gegessen, hat Gewichte gestemmt, hat zehn Kilo zugelegt. Jetzt bringt er mit 111 Kilogramm auf 1,97 Metern NFL-Gardemaße mit. Platzgummer ist 1,81 Meter groß und hat 90 Kilo – fast exakt die gleichen Werte wie sein Vorbild Christian McCaffrey, und der ist immerhin einer der Allerbesten seiner Zunft. "Wenn ich es schaffen kann, eine Spielweise wie er zu haben und vielseitig zu sein, dann ist das meine beste Chance, in das Programm reinzukommen", sagt Platzgummer.

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Kaderschmiede

Das Trainingslager findet an der IMG Academy in Bradenton, Florida, statt. In dieser hochtechnisierten Sportlerfabrik bereiteten sich schon die späteren Superstars Cam Newton und Russell Wilson auf den Draft vor. Die IPP-Spieler trainieren etwas mehr als zwei Monate mit College-Stars und NFL-Profis. "Am coolsten werden die ganzen Messgeräte und wie sie uns auf die Trainings- und Ernährungspläne einstellen", sagt Seikovits zum STANDARD. Platzgummer ist "sehr gespannt, ob die viel anders machen oder relativ viel ähnlich ist wie bei uns". Seikovits studiert in Wien Sport, Platzgummer in Innsbruck Medizin. Letzterer werkt zudem an Schulen und im Raiders-Nachwuchs als Trainer. "Von dem her ist es cool, wenn man einmal nichts anderes zu tun hat, als zu trainieren und einen Schritt weiter zu machen."

In Österreich ist Football ein teures Hobby, in den USA winken saftige Profigehälter bis in die Millionen. An ein Profidasein verschwendet das Duo aber kaum Gedanken. "Meistens war es eine Überlegung, wenn ich in der Schule eine schlechte Note gekriegt habe, dass ich mir gedacht habe: Es wäre schön, wenn man in Österreich mit Football Geld verdienen könnte", sagt Seikovits. "Aber es war einfach immer sehr weit weg. Auch jetzt fühlt es sich so komisch an, dass man mit dem Sport Geld verdienen könnte. Ich hab ihn weitergemacht, weil ich es liebe, Football zu spielen."

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Pläne

Ob das Duo für Florida Pläne abseits des Footballs hat? "Karten für den Super Bowl am kommenden Sonntag wären cool", sagt Seikovits, Miami ist ja nur vier Autostunden entfernt. Ja, natürlich wäre Platzgummer dabei, wenn sich irgendwann ein Strandbesuch ausgeht. Aber das sind höfliche Antworten auf eine Frage, die an der Realität vorbeigeht. Die Athleten beschäftigen sich mit genau zwei Dingen: hartem Training und sehr hartem Training. Was ungefähr zu erwarten ist, kann man auf Youtube sehen. Für die Minidokuserien NFL Undiscovered wurden die vergangenen Jahrgänge begleitet. Man sieht Schweiß, mentale Kämpfe – und für manche am Ende den erlösenden Anruf eines NFL-Teams. (Martin Schauhuber, 24.1.2020)