Vizekanzler Werner Kogler unterstützt die grüne Spitzenkandidatin Regina Petrik im Rahmen der Burgenlandwahl am Sonntag.

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Erst zwei Wochen im Amt, und schon heillos in der Defensive: Die ÖVP treibt die Grünen vor sich her, diesen bleibt am Ende nur die Schadensbegrenzung. So kann man den Start von Türkis-Grün sehen – und dafür gibt es viele gute Argumente.

Man kann aber auch bei all der Aufregung um den grünen Kaltstart einfach nicht mitmachen. Noch gibt’s keinen Schaden im Elektromotor. Man kann Zen-buddhistisch wie der neue Sozialminister Rudolf Anschober seine Botschaften bringen, durchs Land reisen und Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen einfach zuhören. Anschober hat seine öffentlichen Auftritte bisher souverän absolviert, man merkt ihm die Regierungserfahrung an. Leonore Gewessler wirkt auch souverän, wenn auch weniger konkret – ebenso wie Alma Zadić. Allerdings benennen sie auch klar, wo sie noch ihre Position suchen. Das wirkt zum Teil entwaffnend ehrlich.

Zwei Welten prallen aufeinander

Die Erzählung von den "zwei Welten", die mit Grün und Türkis aufeinanderprallen, hat nicht nur im Zugang zu Themen ihren Kern – sondern auch im Tempo, in denen sie bearbeitet werden. Die Kanzlerpartei ÖVP hat ihre Arbeit einfach wiederaufgenommen. Wie eine gut geölte Maschine spulen Sebastian Kurz und sein Team ihr Programm ab, das da lautet: Wir tun, was unsere Wähler von uns erwarten. Vor allem die FPÖ-abtrünnigen Kurz-Wähler glaubt man Tag für Tag streicheln zu müssen, damit sie nicht auf die Idee kommen, sie könnten sich geirrt haben.

Die Grünen sind erst dabei, ihr Team zusammenzustellen. Es fehlt in den Ministerien an allen Ecken und Enden an grüner Expertise und Vertrauensleuten – schon allein das verlangsamt im Themensetting. Überdies ist der politische Schnellschuss ohnehin nicht Sache der Grünen: Man denke etwa an das jahrelange Ringen in Wien um Parkpickerl und verkehrsberuhigte Mariahilfer Straße – oder auch an die ausgeprägten Denkpausen des jetzigen Bundespräsidenten.

Hohe Zustimmungswerte

Glaubt man aktuellen Umfragen, schadet das den Grünen derzeit auch nicht: Die Partei selbst und die türkis-grüne Regierung erfreuen sich unverändert hoher Zustimmungswerte. Offenbar haben die Wählerinnen und Wähler der Grünen Verständnis dafür, dass beim Harmoniefaktor in der Koalition angesichts zweier so unterschiedlicher Parteien noch Luft nach oben ist. Es gibt noch keinen Grund zur Panik – vorerst. Werner Kogler und sein Team müssen allerdings jetzt die richtigen Schlüsse ziehen, auch für die Regierungsklausur.

So schön das im Regierungsprogramm auch klingen mag: Es reicht nicht, wenn zwei Koalitionspartner wie kreuzbrave Schrebergärtner ihr eigenes bisschen Grün bestellen und ansonsten freundlich zueinander sind. Beide Parteien müssen ihren Wählern erzählen können, wo, wie und warum man gemeinsam etwas weiterbringen möchte. Diese gemeinsame Erzählung muss Türkis-Grün erst finden, das bisher Gesagte ist noch zu schwammig. Und es muss ein Weg gefunden werden, wie man mit künftigen, noch unabsehbaren Krisen umgeht: Sicherungshaft und Kopftuchdebatte waren ja absehbare Konfliktthemen. Aber Regieren bedeutet auch, Unvorhergesehenes in Einigkeit zu bewältigen.

Entscheidend werden die kommenden Wochen – und das erste türkis-grüne Budget. Dann wird sich weisen, wie ernst es mit den gemeinsamen Zielen wirklich ist. Wer am Ende das Geld hat, macht die Musi – das wird den Erfolg von Türkis-Grün bestimmen. (Petra Stuiber, 25.1.2020)