Im Gastkommentar legt Politik- und Medienberater Peter Plaikner dar, warum die Burgenland-Wahl für Wien kaum Hinweise birgt. In einem weiteren Gastkommentar widmet sich der Politologe Anton Pelinka der von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner skizzierten Oppositionspolitik der Roten.

Hans Peter Doskozil stellt sich am Sonntag der Landtagswahl im Burgenland.
Illustration: Felix Grütsch

Die Landtagswahl am Sonntag im Burgenland ist die siebte in der Phase Sebastian Kurz, die eine Ära werden kann. Ausgerechnet in Niederösterreich vor nahezu exakt zwei Jahren hat seine neue Volkspartei zum bisher letzten Mal prozentuell verloren. Doch diese Wahl war ein Sonderfall nach dem Abgang eines Langzeitlandeshauptmanns und brachte der ÖVP dennoch die heute einzige absolute Mandatsmehrheit in einem Landtag. Der Sozialdemokratie ist das nur fünf Wochen später in Kärnten knapp misslungen. Dort hält die SPÖ die Hälfte der Sitze, und Türkis darbt bei 15 Prozent.

Die überproportionale Aufmerksamkeit für das Burgenland entsteht also aus einem bloß gefühlt ewigen roten Sinkflug. Regional sind die Ergebnisse durchwachsen. Die SPÖ hat seit 2018 nur in Salzburg und der Steiermark verloren. Aber ihre kleinen Erfolge waren entweder der Neuverteilung nach Stronach und Co geschuldet oder gelangen geradezu in der Diaspora. Im Bundesland mit der geringsten Bevölkerung hingegen verteidigt sie fünfmal so viele Stimmen, wie sie in Vorarlberg hat – und 40 beziehungsweise 55 Prozent mehr als in Tirol und Salzburg. Letztlich entspricht aber auch das lediglich der roten Basis von zwei großen Wiener Gemeindebezirken.

Rot-blaue Mesalliance

Das hochgejazzte Interesse darf Landeshauptmann Hans Peter Doskozil allein für sich und seine Interpretation von Sozialdemokratie verbuchen – angesichts dessen die Hauptstadt-SPÖ mit einem klaren Gegenentwurf zögert und die Gesamtpartei an ihrer Weiterentwicklung hindert. Personell wie inhaltlich. Ausgerechnet der andere Koalitionspartner wirkt aktuell als ihr bestes Argument, während die Bundesholding sich schon auf die Grünen einschießt.

Im Burgenland könnte Doskozil lediglich eine Analogie zu Wien, aber unter vollkommen anderen Rahmenbedingungen gelingen: Wenn seine SPÖ sowie ÖVP und Grüne gewinnen, während die FPÖ verliert, verdrängt die Partnerwahl alle wirklich inhaltlichen Diskussionen. Eine Fortsetzung von Rot-Blau in Eisenstadt würde der SPÖ insgesamt erst die wirkliche Zerreißprobe bescheren. Eine Beendigung dieser Mesalliance sollte die ÖVP vor allem in Oberösterreich unter Druck setzen, dem dann letzten (Quasi-)Koalitionsstützpunkt der FPÖ.

Unvergleichbar zu Wien

Für die Wien-Wahl spätestens in diesem Herbst besteht die einzige Parallele aber darin, dass zumindest drei mögliche Juniorpartner wahrscheinlich sind. Denn hier wirkt es bei einem Antritt Heinz-Christian Straches mit DAÖ zwar unklar, wer Zweiter wird – FPÖ, Grüne oder ÖVP –, doch Blau ist keine Option für eine Koalition. Stattdessen sind dafür auch die Neos noch mit im Spiel, die im Burgenland kaum Chancen auf den Einzug in den Landtag haben. Dort droht unterdessen einer Abspaltung der Freiheitlichen, der LBL, nach zwei Perioden der Rausflug.

Wenn die SPÖ am Sonntag zumindest 42 Prozent erreicht, wird also vor allem spannend, ob Doskozil den von Hans Niessl geerbten Sonderfall der Koalition mit der FPÖ fortsetzt und damit auf einer dritten roten Option beharrt – auch wenn für ihn das Wiener Modell mit den Grünen und das Kärntner Muster mit der ÖVP möglich sein sollten. Ansonsten wirkt das Burgenland geradezu unvergleichbar mit Wien. Als einzige österreichische Region ohne einen wirklich urbanen Raum erscheint es sogar gegenteilig zur Hauptstadt. Auch die politischen Problemstellungen sind in dieser Pendlerheimat ohne Universität vollkommen anders.

Alternative zu Rendi-Wagner

Doskozil wäre allerdings die aktuell einzig sichtbare und wirkliche Alternative zu Pamela Rendi-Wagner als Bundesparteichef. Eine solche Ablöse jedoch könnte aufgrund des durch ihn verkörperten Rechtsrucks vor allem in Wien die massiven internen Konflikte bis zur Spaltung verstärken. Er würde aber die Attraktivität der Sozialdemokratie insbesondere in ländlichen Regionen wieder deutlich erhöhen. Doskozil hat einen Wechsel in die Bundespolitik vorerst abgesagt, weil er Gras über diesen Zwiespalt wachsen lassen will. Doch wenn die Wien-Wahl der SPÖ keine "gmahde Wiesn" beschert, beginnt die Diskussion von vorn.

Dass unterdessen die SPÖ Burgenland nur als Untertitel zur "Liste Doskozil" antritt, ist nicht nur dem Ego ihres Vorsitzenden geschuldet. Wie in Niederösterreich, das am Sonntag 567 seiner 573 Gemeinderäte wählt, schlägt die Vorzugsstimme die Parteientscheidung. Im März stehen dann noch die Kommunalwahlen in Vorarlberg und der Steiermark auf dem Kalender, bevor es um Landtag, Bezirksräte und Gemeinderat in Wien geht.

Offene türkise Flanke

Mit ähnlicher Spannung wie hier blicken sie jetzt dennoch vor allem in Linz aufs Burgenland. Denn Oberösterreich als einziges Bundesland mit gemeinsamem Sechs-Jahre-Rhythmus für die Abstimmungen über den Landtag und alle Gemeinderäte schließt im Herbst 2021 den Reigen der Regionalwahlen ab. Wenn Doskozil nicht mit der FPÖ weiterregiert, hat dort die ÖVP die de facto einzige Landeskoalition (ungeachtet von Proporz) mit den Blauen zu verantworten. Das ergäbe eine eineinhalb Jahre lang offene türkise Flanke. Es sei denn, es gibt vorgezogene Neuwahlen, wie sie nach der Ibiza-Zäsur auch in Oberösterreich gefordert wurden. Das wären dann schon alle Neune – Landtagswahlen in der Phase Kurz, die eine Ära werden kann. (Peter Plaikner, 26.1.2020)